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taz Talk über Boomer mit Heinz BudeLeben auf der Kippe

Soziologe Heinz Bude verabschiedete die Boomer beim 425. taz Talk: Eine Abrechnung mit der Generation, die mit der drohenden Katastrophe aufwuchs.

Soziologe Heinz Bude und Redakteur Jan Feddersen gehören selbst zur Generation der Boomer Foto: Anke Phoebe Peters

BERLIN taz | Beinahe haben sie den Löffel schon aus der Hand gegeben, aber sie leben noch, werden älter und älter. Die Boomer, jene zwischen 1955 und 1965 Geborenen, verlassen nach und nach ihre Positionen, um sie der nächsten Generation zu übergeben. 1,5 Grad hin oder her, sollen die doch den Karren aus dem Dreck ziehen. Soziologe Heinz Bude und sein Host, taz-Redakteur Jan Feddersen, trafen sich am 13. Februar zum taz Talk, um sich im Gespräch auf der Bühne in der taz Kantine Werden und Verlangen der Boomer zu diskutieren.

Mit Ausnahmen gehörte das Publikum ebenfalls diesen Jahrgängen an. Budes Buch „Abschied von den Boomern“ rangierte zum Zeitpunkt des Gesprächs auf Platz sieben der Spiegel-Bestsellerliste für Sachbücher.

„Boomer, damit sind wir gemeint, Jan“, stellte Bude anfangs fest. Stellenweise glich das Gespräch daher der Selbstfindung einer Generation im akuten Altersmodus. „Wir waren immer zu viele und werden auch immer zu viele sein,“ sagte der in Wuppertal geborene Soziologe. Aber ein starkes Wir-Gefühl sei in dieser sozialen Gruppe nicht vorhanden.

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Falsch abgebogen in Richtung Konsum

Dennoch gebe es gemeinsame Erfahrungen. Das „Leben auf der Kippe“ angesichts des Kalten Krieges sowie die latent drohenden Katastrophen haben diese Generation geprägt. Allen voran zwei gesellschaftliche Großereignisse: Aids und Tschernobyl in den 1980er Jahren. Boomer mussten lernen, dass einige gesellschaftliche Krisen nur durch individuelle Handlungen bewältigt werden können.

Tschernobyl führte ihnen vor Augen, wie menschliches Versagen dazu führen kann, dass die Welt unbewohnbar wird. Für diese Erkenntnis stehe der Name Brokdorf. Dort, in der schleswig-holsteinischen Marsch, versammelten sich Atom­kraft­geg­ne­r*in­nen im Februar 1981 zur größten Antiatomkraftdemo Deutschlands.

Die entscheidende Frage des Abends kam aus dem Publikum: „Und warum sind wir dann falsch in Richtung Konsum abgebogen?“ Rückblickend kristallisieren sich aus dem Gespräch zwischen Bude und den anderen mehrere Elemente heraus, die diese Frage beantworten könnten: Streben nach Wohlstand und Erwerbsarbeit, pragmatische Herangehensweise und der Übergang von der Industrie zur Dienstleistungsgesellschaft?

Bei der Frage, ob die Boomer Schuld trifft an den klimakatastrophischen Zuständen, entlastete Bude seine Generation mit der Aussage: Es habe keinen Sinn, ein schlechtes Gewissen zu haben. Fazit aus jüngerer Perspektive: Noch sollten wir die Boomer nicht abschreiben. Schließlich sind auch sie es, die unsere Heizungen modernisieren müssen.

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9 Kommentare

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  • Das Ganze fängt VOR den sog. Boomern an, mit denen, die glaubten, es stehe ein Revolution an und löse die Probleme. Als eben klar wurde, das das Schwachsinn in EU war, wandte man sich dem individuellen Glück zu. Dann kam 1989 - Überraschung - und die Karten wurden neu gemischt. Ganz oben stand nun das "Glücksversprechen". Heute erleben wir einen neuen Umschwung denn das individuelle Glück hängt nun wieder materiell von der Klassenzugehörigkeit ab. Und nun gibt es auch noch Krieg in unserer Nähe...wat nu?

  • Es ist doch offensichtlich, dass allein die Boomer dran Schuld sind.



    Nach Jahrzehnten voller sich leiten lassen, sich Honig um den Mund schmieren lassen und sich nicht zu hinterfragen, sondern sich einfach dem Konsum blind hinterherlaufen zu lassen, gibt's da keine Ausreden mehr.



    Die jüngere Generation wurde hineingeboren, die Schulen haben den Konsum in die Köpfe der jungen Menschen geprügelt und jede Hinterfragung wurde vom Elternhaus abgelehnt mit dem Vorwand "aus dir soll doch mal was werden, du musst besser sein als die anderen" oder eben "wir sind sozial so schwach, du bringst es eh zu nichts mehr".



    Diejenigen, die wirklich ein Umweltbewusstsein aufgebaut haben muss Mensch suchen wie die Nadel im Heuhaufen. Damit mein ich die, die es ernst meint mit der Umwelt und den Menschen. Nicht diejenigen, die in der Konsumtrance zu greenwashing Methoden greifen, nicht verstanden haben, dass ein Schritt zurück zur Natur das Gebot der Stunde ist und doch noch voller Hoffung auf DIE Technilogie warten.



    Das Problem ist, Gewalt ist nicht das Mittel der kümmernden Menschen. Zum Glück.



    Doch das ist auch ein Grund warum wir überhaupt keine Chance mehr haben irgendetwas zu reißen.



    Da hilft nur Boykott jeglicher Lohnarbeit, denn das ist das einzige Mittel, was die Industiellen wirklich zittern lässt.



    Aber da muss Mensch schon tough sein und das geht auch nur mit dem entsprechenden Umfeld, das sich gegenseitig unterstützt.



    Ansonsten... Tschüüüss schöne Welt.

  • Es gibt allerdings auch BoomerInnen, die auf Kreuzfahrt keine Lust und/oder auch kein Geld haben. Ich habe mich 1981 geärgert, dass ich nicht auf die Demo in Brokdorf konnte. Dafür war die erste Möglichkeit, den Stromanbietet zu wechseln, meine.

    • @aujau:

      Stromanbieter muss es heißen. Damals hieß er Unit E. Die Älteren werden sich noch erinnern.

  • Mich macht die Kaltschnäuzigkeit betroffen, mit der dem Konsum bei Kreuzfahrten u. Weltreisen gefrönt wird, wie proaktives soziales Engagement u. Eintreten für Klimaschutzmaßnahmen verächtlich gemacht wird und einstweilen Alles zu fördern vermieden wird, was Generationengerechtigkeit in einer Gesellschaft mit differenziertem Sozialstaat eigentlich gebietet. Mahnen & warnen, das ist einigen Boomer-GenossInnen zu viel Zweifel an der Maxime: Mitnehmen, was geht, weil wir es uns verdient haben. Die an neuralgischen Kipppunkten fragilen Interdependenzen einer komplexen Gesellschaft im Umbruch von einer Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft mit KI nicht nur zu erkennen, sondern praktisch durch Respekt u. Schonung der Ressourcen auch anzuerkennen oder gar zu würdigen, das ist Teil der Wertschätzung, die nachwachsende Generationen sich wünschen.



    Vorbildfunktion und Vormachposition, da sind durchaus Widersprüche spürbar u. ein Generationenkonflikt wird sich spätestens ergeben, wenn hinterfragt werden muss, wer die Suppe auslöffelt u. wessen Chancen ignorant geschmälert wurden durch Missachtung der alten Weisheit:



    Uns wurde die Erde nicht geschenkt, wir haben sie uns von unseren Kindern nur geborgt.



    Bei derstandard.de steht



    "BABYBOOMER



    Generation Ego: Warum Best Ager ein Feindbild sind



    Nach uns die Sintflut: Sie lassen es auf Kosten ihrer Nachkommen noch einmal so richtig krachen – eine kritische Betrachtung der Babyboomer-Generation



    Unter der schwedischen Umweltaktivistin Greta Thunberg hat sich weltweit eine Jugendbewegung gebildet, die mit Schulstreiks für das Klima kämpft. "Weil ihr Erwachsenen euch nicht für meine Zukunft interessiert, werde ich eure Regeln nicht beachten", sagt Thunberg.



    Das ist ein Schlag ins Gesicht der Alten, deren Flugbilanz verheerend ist. Letztendlich aber lässt sie das kalt. Auf einer Kreuzfahrt bekommt man eben wenig mit vom realen Leben – selbst wenn man gerade schnurstracks auf eine Katastrophe zusteuert. (Karin Cerny, 30.8.2021)"

  • Zitat " Noch sollten wir die Boomer nicht abschreiben....."



    Ich bin das, was man gemäß dem Alter als Boomer definiert.



    Ein solcher Satz wie der oben beleidigt eine ganze Generation. Der Wohlstand von dem auch die lieben taz-Leser hier profitieren haben wir aufgebaut. Etwas mehr Respekt wäre angebracht. Wollen Sie Menschen "abschreiben" wie ein Stück Werkzeug das man in den Müll wirft, wenn es abgenutzt ist? Tolle Gesellschaft.....

    • @Krumbeere:

      Sie haben ja so recht, wenn wir sogenannte Boomer uns gegen die Neoliberalisierung des Planeten gewehrt hätten, müßten wir keinen Respekt für den Wohlstand einiger Teile der Bevölkerung der oberen Nordhalbkugel einfordern.

  • Was für eine selbst beweihräucherung.

  • "Schließlich sind auch sie es, die unsere Heizungen modernisieren müssen." Sie haben immerhin die Photovoltaik, Katalysator, bleifreies Benzin, den Computer (wie wir ihn kennen) und das Internet erfunden. Auf geht's es ist noch viel zu tun!