taz-Recherche zu rechtsextreme Preppern: Rechte Reserve im Bundestag
Ein Mitglied der „Zuflucht“-Preppergruppe arbeitet für die AfD im Bundestag. Der Mann hat sich auch in der Partei engagiert.
Michael S. gehörte von Anfang an der Gruppe an, die an einem Tag X „Zuflucht“ in einem Dorf in Nordsachsen finden wollte, um es im Zweifel zu unterwerfen. Wie die taz Anfang Juni berichtete, fantasierten die Männer und Frauen ab 2015 von einem „Rassenkrieg“ und bewaffneten sich. Michael S. äußert sich in den geleakten Facebook-Chats rassistisch und antisemitisch und hat keine Berührungsängste mit etablierten Neonazis.
Anfang Juni dieses Jahres hat Michael S. im Bundestag eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter des AfD-Abgeordneten René Springer angetreten, dem arbeits- und sozialpolitischen Sprecher seiner Fraktion. Springer bestätigte auf taz-Anfrage, dass Michael S. von ihm am 1. Juni 2020 eingestellt und am 10. Juni gekündigt worden sei, also wenige Tage nach der Veröffentlichung der ersten taz-Recherchen zur Preppergruppe. Ansonsten wollte Springer sich nicht äußern. Nach taz-Informationen ist S. noch bis Ende Juli im Bundestag beschäftigt.
Michael S. war zuvor ab 2016 für die AfD-Fraktion im Landtag als Referent für Arbeit, Soziales und Integration tätig, bis er vergangenes Jahr wegen „gravierender Pflichtverletzungen“ gekündigt wurde. In einer der geleakten Chatnachrichten hat er die Stimmung unter den Fraktionsmitarbeitenden als „ausgelassen hitleristisch“ bezeichnet, die Abgeordneten seien aber „dumm und faul“. Der 43-Jährige S. ist neben seiner Arbeit auch selbst in der Partei engagiert: Er hat mindestens bis 2019 in Sachsen-Anhalt im Landesfachausschuss Soziales mitgewirkt.
Illegale Schießübungen
Bereits vor gut einer Woche wurde öffentlich, dass ein anderer Burschenschafter mit engen Verbindungen zur Preppergruppe für die AfD-Fraktion im Bundestag arbeitet.
Michael S. ist Sportschütze und Jäger und hat sich so mehrere Tausend Schuss Munition beschafft. In internen Chats, die der taz vorliegen, schrieb er: „Ich hab extra eine Waffe mit der am weitesten verbreiteten Mun[ition] ausgewählt, die gibt’s dann auch am ehesten in Krisenzeiten.“ S. trainierte zusammen mit Kameraden der Leipziger Burschenschaft Germania mutmaßlich illegal Schießen, in einer Schießstätte ohne Betriebserlaubnis.
Der taz liegt nicht nur eine Einladung zu einer Sonnwendfeier vor, auf der in der Schießhalle in Jüdenberg geschossen werden sollte, sondern auch eine interne Nachricht im Anschluss: „Da wir zur Sonnenwende alle viel Spaß mit Waffen hatten, müssen wir nun auch einen kleinen Beitrag für die Munition löhnen“, heißt es darin. Die Staatsanwaltschaft Leipzig prüft nach wie vor, ob sie in dem Fall Ermittlungen einleitet.
Wie auch andere Männer der Gruppe ist Michael S. Reservist der Bundeswehr, Hauptmann der Reserve. Als Reservist war er im Kosovo im Auslandseinsatz. In der sächsischen Landesgruppe des Reservistenverbandes hat er ein Funktionärsamt und ist seit vielen Jahren Bundes- und Landesdelegierter des Verbandes. Der AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer ist ebenso Reservist und im Reservistenverband.
Der Präsident des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr Patrick Sensburg hat vor Kurzem im taz-Interview angekündigt, dass die Mitglieder der „Zuflucht“-Gruppe aus dem Verband ausgeschlossen werden, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Er kündigte zudem ein grundsätzlich härteres Vorgehen gegen Rechtsextremisten in den eigenen Reihen an. Der Verband werde sich „alle knapp 115.000 Mitglieder noch einmal angucken“.
Das Verteidigungsministerium sieht bei Reservisten ein Problem mit Rechtsextremismus. Rund 800 Reservisten wurden zuletzt wegen Extremismus-Bezügen „dauerhaft von ihrer Dienstleistungspflicht freigestellt“. Künftig sollen Reservisten sicherheitsüberprüft werden, wenn sie vorübergehend Dienst in der Bundeswehr leisten, das steht im aktuellen Bericht der KSK-Arbeitsgruppe. Bislang ist das nicht der Fall.
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