taz-Dramolett: Familie Mac frühstückt
David MacAllister hat nach der Niedersachsen-Wahl viel Zeit für die Familie. Die hat nicht vergessen, wie er aussieht. Aber das ist auch fast schon alles.
Morgens im schmucken Einfamilienhaus der Familie Mac in Bad Bederkesa, Mutter Dunja deckt den Frühstückstisch – für sich, die Töchter Mia-Louise (8) und Jamie-Elizabeth (6) sowie ihren Mann, David.
David Mac (im Mantel, schließt die Haustür auf): Hallo Honey! Ich habe Brötchen mitgebracht!
Dunja Mac: Oh, David! Sag mir, dass das nicht wahr ist. Aber nicht schon wieder diese pappigen Teiglinge vom Prenzler oder? Die mag keiner …
David (enttäuscht): Ich dachte, die Kinder mögen sie …?
Dunja: Das war einmal. Deine Kinder essen seit zwei Jahren morgens Müsli, falls es dich interessiert – Schatz!
David (tief gekränkt): Entschuldige, wenn ich euch eine kleine Freude hatte machen wollen.
Dunja: Freude? Da hättst du ja mal eine SMS schicken können und fragen, was not tut. Hast du wenigstens die Mülltonnen rausgestellt? Das hätte mir eine Freude bereitet! Heute ist nämlich Abfuhrtag, hier in Bad Bederkesa. Oder auch: Wenn du beim Wecken geholfen hättest … Wo bleiben die eigentlich? MialouIiiiiiiiiiieehse! Jäälllybeth! Frühstück! Muss ich Daddy sagen, dass er euch holen kommen soll?
Mia-Louise und Jamie-Elizabeth (poltern die Treppe runter): Iiiieeh! Neijen!!! Wir kommen!
David: Guckt mal, Kinder, Daddy hat Brötchen geholt.
Mia-Louise (schmollt): Toll.
Jamie-Elizabeth: Mutti, darf ich trotzdem Müsli …?
Dunja (geht in die Hocke): Kinder, Daddy würde sich sehr, sehr freuen, wenn ihr von seinen Brötchen probieren würdet. Er ist schließlich extra früh aufgestanden (blickt zu ihrem Mann, hastig) after spending the night anywhere apart from home. Nur für euch.
Mia-Louise: Total toll.
Jamie-Elizabeth: Mutti, warum sagst du auf Englisch, dass Papa woanders geschlafen hat?
David: Damit wollte eure Mutter mir sagen, dass sie mir noch etwas zu sagen hat.
Jamie-Elizabeth: Stimmt das?
Dunja: Ein andermal, Jelly-Herz, ein andermal. Jetzt ist Frühstückszeit. Und jeder isst, was er mag.
Jamie-Elizabeth: Yipieh!
Mia-Louise: Puuh!
(David hängt den Mantel in die Garderobe. Während alle Platz nehmen, ertönt One Time als Klingelton, Mia-Louise rempelt Jamie-Elizabeth an, die hektisch die Hosentaschen absucht, ihr Handy findet und abstellt)
David: Hatten wir nicht gesagt, dass beim Frühstück die mobiles aus sind?
Dunja: Das sagt mir der Richtige. Das sagt mir der Richtige.
David: Aber …?
(Das Balboa-Theme ertönt, David erstarrt, springt auf, eilt zur Garderobe, sucht den Mantel ab. Das Balboa-Theme verstummt)
Dunja: Ha! (kramt ostentativ ihr Iphone hervor, tippt eine SMS)
Mia-Louises Handy: bssbsst! bssbsst! bssbsst!
Jamie-Elizabeth’ Handy: bssbsst! bssbsst! bssbsst!
Mia-Louise (kramt ihr Smartphone aus der Tasche, schaut aufs Display): Mutti?! Warum …?
Jamie-Elisabeth: Mir auch …!
Dunja: (schmunzelt) So! Und jetzt wird gegessen.
David (setzt sich, kramt ein Brötchen aus der Tüte, schneidet es auf, bestreicht es )
(Schweigen)
David: Ich … (bricht ab. Beißt energisch in sein Brötchen)
(Schweigen. Jamie-Elizabeth blickt, in der Essbewegung erstarrt, gedankenverloren David an, der intensiv kaut)
Jamie-Elizabeth: Mutti, du …?
Dunja: Ja?
Jamie-Elizabeth: Mutti, du hast doch Daddy geheiratet, oder?
Dunja (blickt kurz zu David): Ja, das stimmt.
Jamie-Elizabeth: Hat der dich gezwungen …?
Mia-Louise (fällt vom Stuhl vor Lachen)
Dunja: Mia-Louise!
David: Ich … (bricht ab, schweigt)
Mia-Louise (rappelt sich auf): ’tschuldigung.
David: Ich … Das … Es … ist … eine … sehr, sehr, wichtige … Sache, das … mit dem Heiraten. Das ist etwas … etwas … Heiliges.
Dunja: Ich sage dazu nichts.
David: In Niedersachsen bin ich sehr beliebt. Ich habe vorzügliche Beliebtheitswerte.
Dunja: Dann ist ja alles gut. Frühstücken, Kinder, Zeit wird knapp!
Mia-Louise: Fährst du uns heute in die Schule, Mutti?
David: Ich könnte doch …
Jamie-Elizabeth: Bitte, Mami!
David: Das ist kein Problem, ich habe mein Auto doch …
Dunja: Du bist aber nicht gefragt worden. Falls dir das entgangen ist. Vielleicht erkundest du mal deine aktuellen Beliebtheitswerte hier im ■■■weg ■ in Bad Bederkesa. Oder du guckst gleich im Keller nach.
David (atmet schwer): Ich …!!! (bricht ab, schüttelt den Kopf)
(Schweigen)
David: Ich …
(Schweigen)
David (lächelt strahlend): Jetzt aber mal eine gute Nachricht, ihr Racker! Ich habe gebucht! Für unsere Urlaubstour! Am 15. März hol’ ich euch direkt von der Schule ab und dann zischen wir ab, nur wir drei …!
Mia-Louise: Och nö, nicht schon wieder Cuxhaven!
David (strahlt jetzt wie die Asse): Wer spricht von Cuxhaven! Nix da Cuxhaven. Es geht nach …
Jamie-Elizabeth: Hast du gesagt ohne Mami? Mit dir?
David: Jawoll, mylady! Und dreimal dürft ihr raten …
Jamie-Elizabeth: Nein! Ich will nicht!
Mia-Louise: Können wir nicht alleine mit Mutti fahren?
Jamie-Elizabeth: Au ja! DAS wär cool.
Mia-Louise: Nach Amerika!
Jamie-Elizabeth: Gibt’s da Ponys?
Mia-Louise: Klar gibt’s da Ponys! Mutti, stimmt doch …?
Dunja: Ja.
Jamie-Elizabeth: Suuuper! (springt auf, umarmt Dunja samt Stuhl) Wir fahren nach Amerika und du kommst mit!
Dunja (unter Lachen): Langsam, langsam, du wirfst mich ja um!
David: Musst du mir mit jedem Wort in den Rücken fallen? Ich habe nicht Amerika gebucht.
Mia-Louise: Na und? Dann fahren wir halt mit Mami nach Amerika, und du mit deiner …
Dunja: Stopp. Kein Wort mehr.
David: Wollt ihr nicht mal wissen, wohin …
Dunja: Was denn? In die Highlands? Einen Zug durch die Distilleries? Dudelsackworkshops?
David: Ich …
Dunja (blickt auf die Armbanduhr): So, wir müssen! Husch, husch!, Zähneputzen!
Mia-Louise und Jamie-Elizabeth (rasen die Treppe hoch, singend): Wir fahren nach Amerika und Dad bleibt hier!
Dunja (holt ihren Mantel)
David: Wir …
Dunja: In der Zeitung stand, du hättest dein Lachen wieder.
David: Das …
Mia-Louise und Jamie-Elizabeth (kommen die Treppe runter gepoltert, eilig zur Garderobe)
Mia-Louise: Erste!
Jamie-Elizabeth: Gar nicht!
David: Und? Bekommt Daddy kein Küsschen …?
Dunja: Und auf! Ich muss den Van noch rausholen, hoffentlich hat Daddy nicht die Einfahrt zugeparkt.
David: Ich …
(Die Tür fällt ins Schloss)
David: Ich … (greift gierig nach seinem Brötchen, stopft es in den Mund, reißt die Tüte an sich, kramt ein weiteres hervor, stopft es hinterher, greift wieder zu)
Dunja (öffnet die Tür einen Spalt weit): Und vergiss die Mülltonnen nicht!
David: Ich …
(Vorhang)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt