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talkshowWillkommen im Internet, liebes BKA

Die Polizei geht mit Hausdurchsuchungen gegen Hasspostings im Internet vor. Gut so

Foto: Jean Marmeisse/plainpicture

Von Gareth Joswig

Wer sich kurz die Plattform X des Techfaschisten Elon Musk ansieht, erfasst das Problem innerhalb weniger Minuten: Online herrscht Wildwest, nur ohne Revolver und Gewehre, dafür mit umso mehr Hass. Das gilt nicht nur für die vom Techoligarchen Musk auf rechts gedrehte Hassplattform X, sondern auch für zahlreiche andere angeblich soziale Medien von Meta, Google und Bytedance.

Der Hass kommt vor allem von rechts und kann auch in reale Gewalt umschlagen, wie alle spätestens nach der Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübckes 2019 durch einen Neonazi aus dem AfD-Umfeld wissen sollten. Zuvor wurde Lübcke von AfD-Politikern und sonstigen Rechtsextremen immer wieder an den Online-Pranger gestellt – in den Kommentarspalten unter derlei Posts gab es Mordaufrufe und Gewaltandrohungen, die lange Zeit nicht gelöscht wurden.

Am Mittwoch ging das Bundeskriminalamt bei einem Aktionstag bundesweit gegen Hass im Netz vor. Bei zahlreichen Razzien in den Youtube-Zimmern dieser Republik setzte die Behörde 65 von unabhängigen Rich­te­r*in­nen genehmigte Durchsuchungsbeschlüsse um und vernahm in 140 Ermittlungsverfahren zahlreiche Beschuldigte. Gut so!

Die Zahl der strafbaren Hasspostings hat sich laut BKA seit 2021 vervierfacht, zwei Drittel aller Beiträge kommen aus dem rechten Spektrum, einzelne Fälle verbindet die Behörde mit linker, religiöser oder sonstiger Ideologie. Es geht um Volksverhetzung, Verwenden verbotener Nazi-Symbole sowie Aufruf oder Billigung von Straftaten sowie Beleidigung.

Lange Zeit standen die Sicherheitsbehörden den sich in den Kommentarspalten Bahn brechenden Mobs mehr oder weniger hilflos gegenüber. Ermittlungen gegen strafbare Äußerungen liefen häufig unkoordiniert oder auch gar nicht. Die Betreiber kamen ihrer Verantwortung ebenfalls unzureichend nach oder heizten – wie Musk – rechte Online-Treibjagd gar noch so richtig an. Weite Teile des Online-Raumes wurden so im vergangenen Jahrzehnt zum Resonanzraum von Rechten und ihren Trollarmeen, die kampagnenförmig versuchten, Diskurse zu verschieben, Leute wegzumobben und so der Macht näherzukommen. Erst simulierten sie Diskursmacht, schließen bekamen sie die auch mit viel Unterstützung von der immer mehr ins Autoritäre abdriftenden gesellschaftlichen Mitte.

Wie erfolgreich das ist, zeigt sich dann etwa im Leitartikel eines „Chef“-Kommentators bei der Welt. Der erwähnt dann zwar am Rande im Artikel zum „Schwachkopf-Urteil“, dass der Hasskommentator gar nicht wegen eines Schwachkopf-Memes über Robert Habeck verurteilt wurde, sondern wegen Hitlerbildchen und Abbildungen von Hitlergrüßen. Aber er ereifert sich dann trotzdem mit Schaum vor’m Mund über die angeblich bedrohte Meinungsfreiheit und eine Zäsur der Rechtsgeschichte.

Aber Kommentarspalten sind kein luftleerer Raum, Worte nicht folgenlos. Aus der rassistischen Entmenschlichung durch Wut­bür­ge­r*in­nen in Kommentarspalten und Online-Hetze von AfD-Politiker*innen erfolgen konkrete Straftaten – siehe Walter Lübcke. Die rechte Gewalt in der Bundesrepublik ist so hoch wie nie zuvor seit der systematischen Erfassung der Zahlen 2001.

Extrem junge Menschen, aber auch medieninkompetente Boo­me­r*in­nen radikalisieren sich online in Rekordzeit. Die Polizei in Deutschland erfasste 2024 alle 12 Minuten eine rechtsextreme Straftat.

Deswegen ist es unbedingt zu begrüßen, wenn die Behörden bei der Verfolgung von strafbaren Äußerungen im Internet endlich mal aus dem Quark kommen, deutlich machen, dass das Netz kein rechtsfreier Raum ist. Herzlich willkommen im Internet, liebes BKA.

Wenn die Urheber von Hassbeiträgen zur Verantwortung gezogen werden, sind sie keine harm- und arglosen Opfer, die in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt werden, wie rechte Hetzportale oder AfD-Politiker*innen weiß machen wollen. Sie sind Tä­ter*in­nen, die andere online fertig machen wollen, rassistisch beleidigen, zu Straftaten aufrufen oder gleich welche begehen. Sie wollen Menschen systematisch einschüchtern, bis sie sich zurückziehen. Und die Grenzen zur Militanz und rechter Gewalt sind dabei mitunter fließend.

Das zeigt sich auch bei eben jenem 12. Aktionstag gegen Hass im Netz: Im Saarland hat das BKA im Zuge der Aktion drei 19-Jährige aus der Skinheadszene kontrolliert, gegen die der Staatsschutz schon länger ermittelt. Sie ­sollen Hasspostings abgesetzt und in ­internen Chatgruppen auf Snapchat Reichskriegs­flaggen, SS-Abzeichen und Hitlergrüße gepostet haben. An einer Bushaltestelle der Saarbahn sollen sie Leute mit „Scheiß Ausländer“ bepöbelt haben. In den Chats wurden aber offenbar auch Bildchen von Waffen und einer Handgranate ausgetauscht. Womit man dann wieder bei Wildwest, Revolvern und Gewehren wäre.

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