Tag der Befreiung in Italien: Bella ciao!
Mit Staatstrauer wollte die rechte Regierungschefin Meloni Feiern zum Tag der Befreiung unterdrücken. Doch die Antifaschisten triumphierten.

D er 25. April ist nicht irgendein Tag in Italien, sondern die Festa della Liberazione, das Fest der Befreiung. Jährlich feiern die Italiener das Ende der Terrorherrschaft der deutschen Nazibesetzer und der mit ihnen kollaborierenden Mussolini-Faschisten im Jahr 1945.
Für die in Rom regierende radikal rechte Giorgia Meloni, für ihre postfaschistische Partei Fratelli d’Italia gab es an diesem Tag nie etwas zu feiern. Eher schon kann man sagen, dass ihnen das Fest der Befreiung gehörig stinkt. Somit fügte sich der Papsttod, müssen sich Meloni und ihre rechte Bagage gedacht haben, doch wunderbar, um endlich den Deckel auf den antifaschistischen Gedenktag zu setzen.
Doch die italienische Bevölkerung hat mal wieder bewiesen, wie wichtig und wirksam ein Aufbegehren gegen eine radikal rechte Regierung sein kann. Denn Melonis Plan ging nicht auf.
Verlängerte Staatstrauer
Ihre Regierung ordnete gleich eine fünftägige Staatstrauer für Papst Bergoglio an, vom 22. bis zum 26. April. Das gab es noch nie, die längste Staatstrauer für einen toten Papst hatte zuvor nie mehr als drei Tage überschritten.
Und als wäre das noch nicht genug, trat letzten Dienstag nach der Kabinettssitzung Zivilschutzminister Nello Musumeci, der über die Jahrzehnte immer wieder als Faschismusnostalgiker aufgefallen war, vor die Presse, um großherzig zu erklären, „alle Feierlichkeiten“ zum 25. April seien „selbstverständlich gestattet“, jedoch unter der Vorgabe, dass sie „voller Nüchternheit“ stattfänden. Später legte er nach, er meine damit, dass „entfesselte Tänze und Gesänge“ unterbleiben sollten.
Doch die linken Stimmen ließen sich nicht unterkriegen: Ein gehöriger Shitstorm, von linken Politiker*innen genauso wie auf Social Media, war die Folge. „Es ist ja nicht so, dass wir am 25. April trinken“, ätzte der Vorsitzende des linken Gewerkschaftsbunds CGIL, Maurizio Landini. Und in vielen viral gehenden Memes wurde konstatiert, Minister Musumeci habe offenbar den Befreiungstag noch nie mitgefeiert, er verwechsele „den 25. April mir Karneval“.
Vor Ort schikanierten zahlreiche rechte Bürgermeister*innen den Partisanenverband ANPI und andere Veranstalter. In Romano di Lombardia wurde das Singen von „Bella ciao“ verboten, in Cinisello Balsamo behauptete der Bürgermeister, die Kapelle habe freiwillig auf das Lied verzichtet – das Publikum antwortete mit einem Pfeifkonzert.
Proteste trotz Schikane
In Genzano verbot der Bürgermeister Umzug und Kundgebung der ANPI und erlaubte nur eine Kranzniederlegung. In Ascoli Piceno musste eine Bäckerin wegen eines Transparents zum 25. April ihre Personalien angeben.
Insgesamt aber ging der Schuss nach hinten los. Quer durchs Land kamen so viele Menschen wie nie in den letzten Jahren zu den antifaschistischen Kundgebungen. In Mailand demonstrierten je nach Schätzungen zwischen 60.000 und 90.000 Personen, und auch in Rom waren Zehntausende auf der Straße.
Auf Hunderten Befreiungsfesten quer durchs Land, in den großen Städten genauso wie in kleinen Dörfern, wurde aus voller Kehle „Bella ciao“ geschmettert.
Giorgia Meloni und Minister Musumeci ist das alles entgangen. Meloni tat nur das Nötigste und legte am Morgen gemeinsam mit dem Staatspräsidenten Sergio Mattarella in Rom einen Kranz am Grabmal des unbekannten Soldaten ab. Musumeci dagegen erklärte: „Wie jedes Jahr gehe ich in die Kirche, um für alle Opfer dieser nationalen und internationalen Tragödie zu beten.“ So stellt er ausgerechnet den Freudentag der Befreiung als Tragödie dar – und zeigt erneut, dass sein Herz rechts außen schlägt.
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