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talk of the townSeehofers langsamer Abschied

Wegen des Berliner Antidiskriminierungsgesetzes will der Bundesinnenminister keine Bundespolizei mehr in die Hauptstadt schicken. Aber das meint er gar nicht so

Alles geht auf mein Kommando in den Ruhestand: Horst Seehofer mit Untergebenen in Potsdam Foto: Sean Gallup/Getty Images

Von Ambros Waibel

So schöne Pferdeln hat sie, die Bundespolizei – und präsentierte sie beim Besuch ihres neuen Dienstherren im Mai 2018 in Potsdam. Horst Seehofer trat da gerade seinen letzten öffentlichen Amtsabschnitt an, den des Bundesinnenministers.

Dass die Rösser samt Rei­ter:in­nen ab sofort die Stadtgrenze zum benachbarten Berlin nicht mehr übertreten dürfen sollen, diese Ankündigung Seehofers steht eher am Ende einer langen Dienstreise, von der für den Ingolstädter zu hoffen ist, dass nicht ausschließlich die menschenverachtenden Kampfsprüche von der „letzten Patrone“ bleiben oder seine Freude darüber, dass an seinem 69. Geburtstag 69 geflüchtete Menschen abgeschoben wurden. Wenn Seehofer im nächsten Jahr wie angekündigt seine politische Karriere beendet, dann wird sich auch dieser Spruch wohl schon längst erledigt haben: „Ich kann meine Beamten nicht dieser Diskriminierung aussetzen, wo sie dann beweisen sollen, dass sie nicht diskriminiert haben.“

Zurechtgewiesen wurde er von Berlins Justizsenator Dirk Behrendt, der vom Seehofer aufstoßenden Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz was versteht. Behrendt sagte gestern: „Die Aufgaben der Bundespolizei sind gesetzlich geregelt. Wir gehen davon aus, dass sich der Bundesinnenminister auch weiterhin daran hält.“

Seehofer war immer ein Politiker, dem das Taktische eine Freude war

Ein interessanter Satz: Wir gehen davon aus, dass sich der Bundesinnenminister an Gesetze hält. Wir gehen davon aus, dass sich Philipp Amthor an Gesetze hält. Wir gehen davon aus, dass sich die Polizei an Gesetze hält. Verhielte es sich so, brauchte es dann überhaupt Gesetze?

Seehofer war immer ein Politiker, dem das Taktische eine Freude war. Man hätte nie ein Auto von ihm kaufen mögen, aber man hätte zu gern zugesehen, wie er jemand anderem einen Schrotthaufen andreht. Jetzt ist er alt. Und die Drohung der unionsregierten Länder, keine Beamten mehr nach Berlin zu senden, hat doch mehr Potenzial als schmucke Bundespolizisten zu Pferde. So ein ganz bisschen klingt die Ankündigung nämlich nach: Putsch.

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