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standbildSicherer Hafen für Menschenfänger

„Hass und Propaganda – Rechtsextreme im Internet“

(Mi., 22.15 Uhr, ZDF)

Die Texte sind menschenverachtend. „10.000 leblose Kanaken, ich kann mich vor Freude kaum halten“, kommentiert da ein „Reporter“ online das Erdbeben in der Türkei: Seit 1997 hat sich die Zahl rechtsextremer Homepages auf 400 verdoppelt.

Als erste Rechtspartei in Deutschland endeckte die NPD das Internet, Parteichef Uwe Voigt gab die Marschroute für die „Kameraden“ vor: „Wir müssen uns bekennen und nicht in Hinterzimmern verkriechen.“ Der NPD widmeten Rainer Fromm und Gabriele Kraiker in ihrem Film „Hass und Propaganda“ denn auch viel Raum. Und tatsächlich ist die Sprache der Hetzer an Deutlichkeit kaum zu überbieten – im anonymen Internet haben sie jede Zurückhaltung aufgegeben.

Die Initiative „jugendschutz.net“ beobachtet zudem eine zunehmende Vernetzung der rechten Seiten. Strafverfolgung in Deutschland allein, das zeigte der Film, löst das Problem nicht. Die USA, die Meinungsfreiheit weit großzügiger auslegen, haben sich zum sicheren Hafen für Rassisten entwickelt: US-Revisionisten verbreiten im Netz ihre Geschichtsklitterung, die National Alliance spricht vom „Überlebenskampf der weißen Rasse“. Ein Krieg um die Herrschaft in den Köpfen – und um viel Geld. Der Handel mit Devotionalien blüht. Und selbstseriöse Unternehmen werben auf den Hassseiten. Ihnen geht es nicht um Grundwerte, sondern ums Geschäft.

Den Hass im World Wide Web müssen die Regierungen gemeinsam bekämpfen.

Doch die Politik weiß keine Antwort: Wenn Bundestagspräsident Thierse warnt, dass die Gesellschaft die „kollektive Entmenschung“ im Dritten Reich vergisst, beschwört er alte Lösungsmuster. Aufklärung mag das sympathisierende Umfeld erreichen. Doch die Menschenfänger im Netz sind keine orientierungslosen Jugendlichen. Verstärkte Bildungsarbeit allein wird keine Abhilfe schaffen. Die Zeichen der (Internet-)Zeit hat die Politik noch nicht erkannt.

NICOLE MASCHLER

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