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stadtentwicklungBerlin stellt sich der Realität

Es wird nicht wenige geben, die den Kompromiss der rot-roten Verhandler als rückwärts gewandt interpretieren. Die Neubaupläne für den Alexanderplatz ebenso wie für den Spittelmarkt einer „Prüfung“ zu unterziehen – das riecht ganz nach jener „Veränderungssprerre“, die der Stadthistoriker Dieter Hoffmann-Axthelm einmal als Motiv für die Stadtentwicklungspolitik der PDS ausgemacht hat.

Kommentar von UWE RADA

Tatsächlich jedoch sind die städtebaulichen Kompromisse zwischen SPD und PDS ein Schritt in die richtige Richtung. Nicht weil sie das Stadtbild der ehemaligen Hauptstadt der DDR konservieren, sondern weil sie der Realität mehr verpflichtet sind als den Ideologien von Glitzermetropole und Bürgerstadt.

Das betrifft in erster Linie die Finanzen. Warum soll sich Berlin an einem millionenschweren Umbau des Spittelmarkts beteiligen, der ohnehin nur wieder zu einer städtebaulichen Kulisse à la Legoland führt? Aus ästhetischen Gründen, mag da manch einer antworten. Doch die Bewohner von Fischerinsel und Leipziger Platz leben gern in ihren Wohnungen.

Erst am Wochenende, lautet Punkt zwei, hat die Maklerfirma Aengevelt erklärt, der Markt für Büroflächen sei im vergangenen Jahr weiter eingebrochen. Warum also eine weitere Million Quadratmeter Büros am Alex? Um den alten Manhattan-Träumen nachzuhängen? Die sind ja wohl ausgeträumt, nicht erst seit dem 11. September.

Der dritte Punkt schließlich ist der wichtigste. Gerade der Alexanderplatz war in der Vergangenheit immer auch ein Tor zum Osten. An seiner Stelle eine Büro- und Konsumburg aufzutürmen, wäre auch ein Hinweis auf eine neuerliche Wagenburgmentalität der Hauptstadt in Richtung Osterweiterung. So aber kann sich der Alex weiterentwicklen, auch in Zusammenarbeit mit all den osteuropäischen Künstlern, die im Haus des Lehrers oder den Rathauspassagen schon heute die neue Geografie der Stadt erfahrbar machten und machen.

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