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sonntaz-Streit vor IslamkonferenzGleichstellung des Islams gefordert

Gleiche Recht für islamische Glaubensgemeinschaften? Ja, sagt die katholische Kirche - wenn die Muslime ihre Strukturen verändern. Muslimen-Vertreterin Kilicarslan sieht das anders.

"Tag der offenen Tür" in der Sehitlik Moschee in Berlin. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich für eine langfristige rechtliche Gleichstellung des Islams ausgesprochen. Es sei "grundsätzlich wünschenswert, dass die muslimischen Gemeinschaften den christlichen Kirchen rechtlich gleichgestellt werden", schreibt der Sekretär der Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, im "Streit der Woche" der sonntaz. "Vor allem ist der Status einer 'Körperschaft des öffentlichen Rechts' kein Exklusivrecht der Kirchen." Allerdings müssten die Elemente einer Religionsgemeinschaft vorhanden sein, etwa geordnete Mitgliedschaft oder religiöse Auskunftsfähigkeit.

Bild: taz

Den ganzen Streit der Woche lesen Sie in der sonntaz am 20./21. Juni 2009 - ab Samstag zusammen mit der taz am Kiosk.

Für Donnerstag hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum letzten Mal in dieser Legislaturperiode zur Islamkonferenz eingeladen. Politiker von Bund, Ländern und Kommunen sowie Vertreter der in Deutschland lebenden Muslime verkünden dann ihre Empfehlungen zur Integration des Islams.

Ayten Kilicarslan, Vize-Generalsekretärin des muslimischen Dachverbandes Ditib, wehrt sich gegen die Forderung, die muslimischen Organisationen müssten sich anpassen. "Muslime sollten nicht die gleichen Strukturen wie die Kirchen aufnehmen müssen, um als Religionsgemeinschaften anerkannt zu werden", schreibt sie im "Streit der Woche". Muslimische Landesverbände erfüllten schon jetzt alle Anforderungen zum Beispiel für die Einführung des islamischen Religionsunterrichts.

Der CSU-Politiker Günther Beckstein, ständiges Mitglied der Islamkonferenz, spricht sich gegen eine rechtliche Gleichstellung des Islams aus. "Der Islam ist in seiner Struktur, seinem Selbstverständnis, seinem Verhältnis zur Staatlichkeit und in der Frage der Menschenrechte und der Demokratie weit vom Christentum entfernt", schreibt Beckstein, der auch der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland angehört. Modern sein bedeute nicht, diese Unterschiede zu ignorieren.

Stattdessen müsse man liberale Kräfte des Islam stärken. Dazu gehörten auch Ausbau des islamischen Religionsunterrichts, "eine ordentliche Imamausbildung und ein wohlgeplanter Moscheenbau".

Im "Streit der Woche" schreiben neben Langendörfer, Kilicarslan und Beckstein der Islamwissenschaftler Peter Heine, Ezhar Cezairli, Vertreterin säkularer Muslime in der Islamkonferenz, der Kabarettist Sinasi Dikmen und der Abiturient Lasse Wissmann, der seinen Beitrag auf taz.de gestellt hat. Die österreichische Bundeskultusministerin Claudia Schmied erklärt die Regelung in ihrem Land: Dort ist der Islam schon seit 1912 als gesetzliche Religionsgemeinschaft anerkannt.

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11 Kommentare

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  • Z
    Zhao

    Konservative Revolution,

     

    die Taktik der Union eine Stimmenmehrheit bei den Einwanderern zu schaffen ist gelungen.

     

    Erstens hat sie die Staatsbürgerschaft Russlanddeutsche und deren russische Verwandte hinterhergeworfen, und damit ethnisch-bewusste Bevölkerungsschichten ins Land geholt, die sich selber deutscher als die Deutschen fühlen, und auch so anerkannt werden wollen.

     

    Zweitens möchte sie die muslimischen Bevölkerungsgruppen bauchpinseln, um deren Stimmen von der SPD und den Grünen zu sich herüberzuziehen.

     

    Beide Gruppen stehen für die Wiederkehr rassischer, ethnischer und religiöser Diskurse, gegen die Gleichberechtigung der Frau und für die Ausgrenzung Homosexueller.

     

    Mit diesen Gruppen ist die Einführung eines liberalen und freiheitlichen Staatsverständnis wie doppelte Staatsbürgerschaft, Trennung von Staatsbürgerschaft und Ethnizität nicht zu machen.

     

    Drittens, die beiden christlichen Konfessionen sind eher bereit , ihre Privilegien dadurch zu schützen, indem sie sie auch den Moslems anbieten - möglicherweise mit den Hintergedanken durch ihre überlegenden Ressourcen, Kampagnenfähigkeit und Menschenzahl die Säkularisierer zur Randgruppe zu machen.

     

    Sie will den Rassismus und die latent vorhandene Fremdenfeindlichkeit nutzen, um die christliche Identität der Deutschen zu stärken. Was läge da näher als die Moslems im öffentlichen Raum sichtbarer zu machen, um die gewünschte Gegenreaktion hervorzurufen ?

     

    Das Deutschland der Berliner Republik wird zum Alptraum.

  • TN
    Taube Nuss

    denninger : >> Alle gesetzlichen Feiertage mit religiösem Bezug (das sind alle außer Sylvester, Neujahr, 1. Mai, (8. Mai in Augsburg) und 3. Oktober) sind ersatzlos zu streichen. Das Verbot von Sonntagsarbeit wird aufgehoben. ...

  • A
    aso

    Wer hier als Nicht-Muslim ernsthaft eine Gleichstellung fordert, hat sich scheinbar nicht über den Islam informiert.

    Denn nach klassischem islamischem Recht kann es keine Gleichstellung von Muslimen und Nicht-Muslimen geben. Danach gibt es drei Gruppen: Muslime, Dhimmis, und Harbis.

    Da Europa „noch“ nicht zum islamischen Herrschaftsbereich gehört, sind deren Bewohner Harbis.

    „Der arabisch-islamische Rechtsbegriff Harbī,... bezeichnet alle nicht unterworfenen Nicht-Muslime, was nach klassischer Lehre auf alle außerhalb des muslimischen Machtbereichs lebenden Nichtmuslime zutrifft....(z.B. Europäer).

    Die Länder der Harbis (also z.B. Europa...) werden als Dar al Harb („Haus des Krieges“ bzw. Kriegsgebiet) bezeichnet.

    Da Harbīs prinzipiell als Feinde der Muslime gelten, schreibt die Scharia den Kampf gegen sie vor....Nach klassischem islamischen Recht ist ein Friede zwischen Muslimen und nichtunterworfenen Nichtmuslimen ... nicht möglich, sondern lediglich ein hudna genannter, maximal zehnjähriger Waffenstillstand....“ (der, wenn die Umstände es nicht anders erlauben, verlängert wird):

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Harbi

     

    Aus einer gewissen Naivität heraus eine Gleichstellung einer religiösen Polit-Ideologie mit unserem säkularisiertem Religionsverständnis zu fordern, ist völlig irrational. Denn letztlich geht es um Erweiterung von Macht-, und Einflußbereich des Islam. Dessen Ziel ist, das „Haus des Krieges dem „Haus des Islam“ (Dār al-Islām ), dem islamischen Machtbereich einzuverleiben. Dies geschieht, sobald die Bevölkerungsmehrheit erreicht ist, und somit die Scharia Anwendung finden kann.

    Schäuble und Kirche agieren derart weltfremd, daß sie auch noch nie was von demographischen Langzeitprognosen gehört haben.

  • D
    denninger

    Eine konsequente Trennung von Staat und Kirche?

    Ja, in jeder Beziehung ist das wünschenswert.

    Alle gesetzlichen Feiertage mit religiösem Bezug (das sind alle außer Sylvester, Neujahr, 1. Mai, (8. Mai in Augsburg) und 3. Oktober) sind ersatzlos zu streichen. Das Verbot von Sonntagsarbeit wird aufgehoben. Es gilt wieder die 10-Tage-Woche aus der französischen Revolutionszeit. Also haben wir dann 3,5 Feiertage im Jahr und 73 freie Tage pro Kalenderjahr.

    Anstelle des Religionsunterrichts tritt ein Ethikunterricht, der ausschließlich philosophische Werte vermittelt (gehört da die Ariosophie eigentlich auch dazu?).

    Ach ja, es existiert dann kein Grund, warum junge Mädchen "mit Migrationshintergrund" die Teilnahme am Turn- oder Schwimmunterricht oder an Klassenfahrten ablehnen können.

    In der öffentlichen Verpflegung (Krankenhäuser, Behörden, Schulen, Gefängnisse) wird keine koschere oder halal Verpflegung mehr angeboten.

    Schwierig wird es mit der Kirchensteuer (die übrigens wenig mit dem dritten Reich zu tun hat). Da es sich um eine Verpflichtung der Länder handelt müssten die Religionsgemeinschaften dem Ende der Kirchensteuererhebung durch die Finanzämter zustimmen.

    Wird sicher lustig werden...

  • PN
    Peter N.

    Macht & Geld --> nur darum geht es den Religionen -und zwar ALLEN.

     

    Man muss sich nur das Reichskonkordat anschauen - sonderbar, dass dieser Vertrag, der noch aus der Nazi- Zeit stammt- nicht abgeschafft wurde/wird !

  • M
    Marti

    Der Name der Moschee, "Şehitlik", ist fast so schön, wie der vieler anderer Moscheen in Deutschland: er bedeute nämlich "Märtyrertum".

     

    "Fatih"-Moschee, also "Eroberer"-Moscheen, die nach dem Sultan Mehmet Fatih benannt sind, dem Eroberer Konstantinopel, gibt es in Deuschland zu vielen Dutzenden, genauso wie Ayasofya-Moschee, die an die Umwandlung der Hagia Sofia in eine Moschee erinnern.

     

    Hey, merken, die Dialogisierer denn nicht, mit wen sie da eigentlich verhandeln?

  • M
    Marti

    Der traditionelle Scharia-Islam, wie er von der großen Mehrheit der Sunniten und Zwölferschiiten praktiziert wird, ist mehr als nur eine Religion, er ist ein umfassendes, um nicht zu sagen totalitäres Gesellschaftsmodell.

     

    Als solches hat er mehr Ähnlichkeiten mit Faschismus und Stalimismus, als mit Religionen wie Christentum oder Buddhismus.

     

    Islamformen wie das Alevitentum sind da ziemlich anders und deshalb tolerierbar und integierbar, der Scharia-Islam ist es nicht!

     

    Wem unsere freiheitlichen Grundwerte wichtig sind, kann nicht für eine Gleichstellung des traditionellen Scharia-Islam sein.

     

    Den Vertretern dieser orthodoxen Islamformen in allen möglichen "Dialogen" immer wieder zu suggerieren, dass dieser Islam in Deutschland Anerkennung finden könnte ist ein großer Fehler!

     

    Man ist solchen Leute schon viel zu weit entgegen gekommen.

  • M
    Mainzer

    Eine Gleichstellung des Islam? Klar will die Kirche das unterstützen, weil sonst müsste sie sich selbst abschaffen....

     

    Es wird Zeit Deutschland weiter zu sekularisieren.

  • C
    Conny

    "in oesterreich schon seit 1912 anerkannt".

     

    Nichts bereut der Oesterreicher mehr als diesen folgenschwqeren Irrtum, dieses Hass-konstrukt als ueberhaupt als Religion zu bezeichnen.

  • SB
    Sven Baddack

    Das Selbstverständnis, mit dem in Deutschland die Christliche Religion gesetzlich abgesicherten Einfluß auf alle Bereiche der Politik nehmen darf, ist erschreckend für mich. Eine Trennung von Staat und Kirche (also die verfassungsmäßige Säkularität)ist schon in dem Moment nicht mehr gegeben, wo religiöse Parteien wie CDU und CSU die Führung unseres Staates übernommen haben.

  • IH
    Ingo Hertrich

    Anstatt dem Islam eine Gleichtstellung mit den Kirchen zu gewähren sollte man lieber auch die christlichen Kirchen weiter vom Staat lösen und ihre Privilegien, z.B. automatisches Einziehen der Kirchensteuer, abschaffen. Alles andere wäre ein Schritt zurück ins Mittelalter. Auch der konfessionsspezifische Religionsunterricht gehört weg, zugunsten eines allgemeinen Ethik- und Philosophieunterrichts.