salt and pepper: Das deutsche Eishockey ist wieder erstklassig
Reise zum anderen Stern
Die Eishockey-WM im letzten Jahr ging an Nordamerika ziemlich spurlos vorüber. So verwundert es nicht, dass USA Today das deutsche Team jetzt als die größte Überraschung in der Vorrunde des Olympiaturniers bezeichnete. Der Zeitung dürfte entgangen sein, dass die Auswahl von Bundestrainer Hans Zach schon bei der WM starke Leistungen bot, erst im Viertelfinale nach harter Gegenwehr der Russen ausschied und in der Vorrunde sogar dem späteren Weltmeister Tschechien ein Remis abgeluchst hatte.
Am Freitag sind wieder die Tschechen der Gegner, und man kann der Weltöffentlichkeit nachsehen, dass damit niemand gerechnet hat. Zwar ist auch in den USA aufgefallen, dass es in Germany hin und wieder in paar Buben gibt, die ganz ordentlich mit dem Puck umgehen können und wie Marco Sturm, Jochen Hecht, Stefan Ustorf oder Uwe Krupp deshalb auch in der NHL landen – aber gleich ein ganzes gut aufspielendes Team? Immerhin liegt die legendäre Bronzemedaille von Innsbruck schon 26 Jahre zurück und außer dem dramatisch verlorenen Viertelfinale gegen Kanada 1992 in Albertville hat das deutsche Eishockey seitdem nicht mehr viel zu bieten gehabt. Kein Wunder also, dass die souveräne Qualifikation für die olympische Zwischenrunde mit Siegen gegen die Slowakei, Österreich und zuletzt dem souveränen 4:1 gegen Lettland in internationalen Eishockeykreisen beäugt wird wie ein Goalie mit acht Armen.
„Unser Traum ist von einem sehr starken Team erschüttert worden“, sagt zum Beispiel Lettlands Weltklassetorhüter Arturs Irbe, der gegen die Deutschen allerdings nicht seinen besten Tag hatte. Und Trainer Curt Lindström war des Lobes voll über Zachs ausgeklügeltes Verteidigungssystem: „Es waren immer vier oder fünf Deutsche vor uns.“ Zur Belohnung dürfen die Cracks aus der DEL jetzt gegen die berühmten NHL-Kollegen antreten, zuerst gegen die Tschechen, dann am Sonntag gegen Kanada und schließlich am Montag gegen Schweden. Die Platzierung in der Gruppe entscheidet über den Gegner im Viertelfinale.
Ein willkommene und auch für die Beteiligten selbst etwas unverhoffte Verlängerung des olympischen Abenteuers. „Nicht viele Leute haben uns Chancen gegeben“, sagt Stefan Ustorf, „aber wenn wir unseren Stil spielen, der vielleicht ein bisschen langweilig anzusehen ist, aber effektiv, können wir einiges erreichen.“ Siege verleihen Mut, und so verspricht der Stürmer: „Wir werden uns jetzt nicht hinlegen und jeden über uns rollen lassen. Ich will zwar nicht sagen, dass wir eine Medaille holen können, aber wir werden es den Gegnern so schwer wie möglich machen.“ Gegner, die laut Bundestrainer Zach „von einem anderen Stern sind“. Gespickt mit Topspielern aus der stärksten Liga der Welt, strotzend vor Selbstvertrauen, dafür allerdings nicht sonderlich gut eingespielt, da sie bis Mitte der Woche noch in ihren Klubs im Einsatz waren.
Im deutschen Team werden fürderhin Marco Sturm und Olaf Kölzig dabei sein, die gegen die Letten ebenso fehlten wie deren Star Sandis Ozonlish. Der Grund war der absurde Kompromiss, den der Eishockey-Weltverband mit der NHL bezüglich Olympia ausgehandelt hatte. Weil die Liga ihren Spielbetrieb nur für zehn Tage und auf keinen Fall für zwei Wochen unterbrechen wollte, wurden die sechs besten Teams – die drei deutschen Gegner, dazu USA, Finnland und Russland – für die Zwischenrunde gesetzt. Die acht Teams, die in der Vorrunde um die restlichen beiden Plätze spielten, mussten sehen, wo sie blieben. Noch kurioser wurde die Lage durch eine Klage von NHL-Klubs, die sich dagegen wehrten, dass Teams freiwillig Spieler für Olympia freigaben. Das hätte gegen eine NHL-Regel verstoßen, die verlangt, dass Mannschaften in Bestbesetzung antreten, um Mauscheleien vorzubeugen. Die Spieler durften also nur kommen, wenn ihr NHL-Team an dem Tag spielfrei hatte, was besonders die Slowakei hart traf, die ausschied, weil ihre sechs besten Spieler fehlten. „Ich hoffe, dass es künftig Änderungen gibt und jedes Team, das bei Olympia spielt, respektiert wird und von Anfang an seine besten Leute aufbieten kann“, wünscht sich Arturs Irbe.
Etwas mehr respektiert werden jetzt auf jeden Fall die deutschen Eishockeyspieler und natürlich deren Trainer, der das kleine Wunder zustande brachte, was er, da er kein Freund übermäßiger Bescheidenheit ist, auch ohne weiteres zugibt. „Ich bin froh“, sprach Hans Zach, „dass es in den vier Jahren, wo ich da bin, ständig nach vorne ging.“ MATTI LIESKE
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