rz-urteil: Eine verpasste Chance
Zwei Jahre auf Bewährung für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Das klingt zunächst überraschend. 13 Jahre nach den Schüssen der Revolutionären Zellen und einem Sprengstoffanschlag könnte man fast meinen, die Justiz hätte Vernunft vor Recht und Rache walten lassen. Zu anderen Zeiten hatte es härtere Urteile gegeben, mit oder ohne Kronzeugenregelung.
Kommentar von UWE RADA
Doch der gestern zu Ende gegangene Prozess gegen Tarek Mousli war zum Schluss kein Verfahren gegen das RZ-Mitglied Mousli mehr. Er war bereits der Auftakt zum eigentlichen Berliner RZ-Prozess, bei dem der Karatelehrer nicht mehr auf der Anklage-, sondern auf der Zeugenbank sitzen wird. Das erklärt auch das Strafmaß, mit oder ohne Kronzeugenregelung.
Ist Mousli, der Kronzeuge, nun ein Verräter, wie viele seiner ehemaligen „Genossen“ meinen? Im Grunde haben er und die vier Personen, die wegen seiner Aussagen in Untersuchungshaft sitzen, vieles gemeinsam. Die Taten, derer sie beschuldigt werden, sind verjährt, andere Lebensabschnitte haben begonnen, bei manchen sogar Karrieren. Die einzige Drohung, die die Bundesanwaltschaft in der Tasche hatte, lautet „Mitgliedschaft“.
Doch das ist dann das Ende der Gemeinsamkeit. Mousli hat sich gegen eine politische und für eine private Lösung entschieden. Ohne seine Aussagen hätte der Prozess gegen ihn ein Akt von Vergangenheitsbewältigung sein können, ein Schlussstrich unter die Auseinandersetzungen der 80er-Jahre, zumindest in Berlin. So aber soll beim Prozess im Frühjahr wohl ein Exempel statuiert werden. Mousli, der Reuige, sowie die Bundesanwälte auf der einen, die vermeintlich „Unbelehrbaren“ auf der anderen Seite.
Ist das Verrat? Wohl eher eine verpasste Chance. Nun liegt es an der Justiz, dieselbe noch einmal wahrzunehmen. Doch das Säbelrasseln beim gestrigen Urteil lässt nichts Gutes erwarten.
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