portrait: Abrüstung gefällt Amira Mohamed Ali. Kann sie die Linksfraktion einen?
Ihr erster Tag im neuen Amt war zugleich einer für die Geschichtsbücher. Das lag jedoch weniger an ihr, Amira Mohamed Ali, der neuen Co-Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei. Am Dienstag hatte sie sich in einer Kampfabstimmung mit einer knappen Mehrheit von 36 zu 29 Stimmen im zweiten Wahlgang gegen ihre Mitbewerberin Caren Lay durchgesetzt. Historisches war vielmehr im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages passiert. Dort wurde am Mittwochmorgen zum ersten Mal in der Geschichte des hohen Hauses ein Ausschussvorsitzender abgewählt. Die Rede ist vom AfD-Politiker Stephan Brandner. Auf Twitter lobte Mohamed Ali die „richtige und längst überfällige Entscheidung“ des Ausschusses, Brandners Rassismus durch Abwahl zu begegnen.
Was wissen wir noch über die Rechtsanwältin, der laut FAZ eine „linke Blitzkarriere“ gelungen ist? Parteipolitisch engagierte sich die 37-Jährige erstmals im Kreisverband Oldenburg/Ammerland. Zwei Jahre später, 2017, zog Mohamed Ali dann über die niedersächsische Landesliste in den Bundestag ein. Nun ist sie die erste Muslimin, die eine Bundestagsfraktion leitet. Im parteiinternen Streit zwischen Kommunitaristen und Kosmopoliten hatte sie sich auf keine der beiden Seiten geschlagen. Indifferenz? Vielleicht auch einfach Merkelismus: Wer nichts sagt, sagt auch nichts Falsches.
Auf der anderen Seite kann Mohamed Ali nun glaubhaft in die Rolle der Versöhnerin schlüpfen. In ihrem ersten Statement vor der versammelten Hauptstadtpresse sagte sie am Dienstag, sie wolle „mit jeder und jedem reden“. Doch worüber? Sozialpolitisch ist sie ein unbeschriebenes Blatt. Ihr Schwerpunktthemen sind Verbraucher- und Tierschutz.
Mancher Linker wundert sich, dass eine weitgehend unbekannte Politikerin es überhaupt in ein Amt geschafft hat, das Profis wie Gregor Gysi oder Sahra Wagenknecht zuvor innehatten. Beim diesjährigen Ostermarsch in ihrer Heimatstadt Oldenburg sagte Mohamed Ali in entschlossenem Ton: „Frieden braucht Abrüstung!“ Das gilt für die internationalen Beziehungen ebenso wie für die derzeitige Linksfraktion. Ob deren neue Vorsitzende die Kunst des Ausgleichs beherrscht? Das bleibt vorerst abzuwarten. Dorian Baganz
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