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Archiv-Artikel

portrait Der Ausreißer im Ausweichquartier

Genug ist nicht genug“, singt Konstantin Wecker. Aktuell müsste sein Text abgewandelt werden in „Nun ist es aber genug!“. Denn der linke Liedermacher durfte auf Betreiben der NPD ein Konzert im Halberstädter Käthe-Kollwitz-Gymnasium unter dem Motto „Nazis raus aus dieser Stadt“ nicht geben. Zuvor hatte er den Vorschlag der Stadtväter abgelehnt, auf das Motto der Veranstaltung und deren Bezeichnung „Antifa-Clubtour“ zu verzichten. Da wich der 58-Jährige lieber in eine Schule in Jena aus.

Denn Wecker ist bekennender Antifaschist, und das nicht erst, seit sich die großen bürgerlichen Parteien den Begriff Antifa „auf die Fahnen geschrieben“ haben. Er wuchs als Einzelkind in München auf. Bereits als Sechsjähriger nahm er Klavierunterricht, versuchte sich aber auch an Geige und Gitarre. Anfangs machte er eine recht konventionelle Karriere als Knabensopran im Rudolf-Lamy-Kinderchor. In dieser Zeit entstand seine erste Platte mit Filmmusik zu „Heimat, deine Lieder“. Doch nur wenige Jahre später brach im braven Chorknaben der Rebell durch. Bereits als Zwölfjähriger unternahm Wecker Ausreißversuche. Berufsziel: freier Dichter.

Erste Soloauftritte auf Kleinkunstbühnen hatte er 1968. Sein Abitur machte er mit 22. Danach studierte er neben Musik auch Philosophie und Psychologie. 1971 gründete er die Rock-Soul-Gruppe „Zauberberg“ mit. Ein Jahr später spielte er zwei Rollen bei der deutschsprachigen Tournee von „Jesus Christ Superstar“. Zum Superstar der Linken avancierte er spätestens mit seinem Titel „Gestern haben sie den Willy erschlagen“, der 1977 auf der LP „Genug ist nicht genug“ erschien. Dafür erhielt er 1978 den Schallplattenpreis.

Auch in der DDR gewann er viele Fans. 1985 konnte er auf Einladung eines Pfarrers erstmals auftreten. Zum SED-Liebling avancierte er aber nie. In den nächsten Jahren arbeitete er oft mit der DDR-Liedermacherin Bettina Wegner zusammen. Auch mit der in der DDR wohlgelittenen Joan Baez stand er auf der Bühne. Nach dem Fall der Mauer spielte er 1991 eine Rolle im Film „Go Trabbi Go“.

Schon sehr gereift, ließ er sich 1996 auf das Abenteuer Ehe ein. Mit seiner Frau Annik Berlin hat er einen Sohn. Doch das war ihm wohl nicht Kick genug: Im April 2000 verurteilte ihn das Landgericht München wegen Besitzes von 1,5 Kilo Kokain zu 20 Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 100.000 Euro.

Seiner Popularität hat das keinen Abbruch getan. Und auch wenn der Künstler nach der Abfuhr in Halberstadt leicht verschnupft ist, will er die Stadt nicht aufgeben: Für den Sommer könnte er sich ein Open-Air-Konzert vorstellen.

CHRISTINE APEL