petition der woche: Ein Fehler in den Online-AGB? Kosten: 3.000 Euro
Anlass der Petition 3.000 Vertragsstrafe für einen falschen Satz
Das wollen die Initiatoren Gesetzlich versicherte Kulanz
Das wollen sie nicht Skrupellose, geldgierige Abmahn-Anwälte
Es gibt Menschen, die haben ein klar definiertes Verhältnis zu Geld. Sie wollen es haben. Solchen Menschen fiel Astrid Tillmann zum Opfer. Sie nennt sie „Abmahnmafia“ und wehrt sich mit einer Petition, die das Ziel hat, Kleinunternehmer vor dieser „Abmahnmafia“ zu schützen.
Tillmann betreibt ein kleines Geschäft in Berlin, in dem sie selbst geschneiderte Kleidung und Stoffe anbietet. Anfang vergangenen Jahres begann sie damit, ihre Produkte in einem eigenen Onlineshop zu verkaufen. Im Sommer bekam sie ein Schreiben des Interessenverbands Deutscher Onlinehändler (IDO). Das ist ein Verband, der darauf achtet, dass die AGB von Kleinstunternehmen juristisch korrekt formuliert sind. Weil Tillmanns AGB nicht rechtssicher formuliert waren, solle sie 240 Euro bezahlen, eine Unterlassungserklärung unterschreiben und den Juristenkladderadatsch richtigstellen.
Tillmann bezahlte, unterschrieb die Unterlassungserklärung und änderte die Formulierungen. Doch dabei ging ihr ein Satz durch die Lappen. „Ich liefere innerhalb von 1 – 3, spätestens jedoch nach 10 Werktagen“ blieb stehen. Sie habe ihn einfach übersehen. Juristisch korrekt wäre gewesen: „Ich liefere spätestens nach 10 Werktagen.“
Prompt bekam sie wieder Post vom IDO. Wegen Vertragsverletzung seien jetzt 3.000 Euro fällig. „3000 Euro?! Ich habe doch gerade mal 145 Euro Umsatz gemacht“, sagt sie. Außerdem gebe es keinen einzigen Kunden, der durch diesen Satz geschädigt worden sei. Es handle sich um eine Zeitspanne von 10 Tagen, in der dieses Lieferversprechen formaljuristisch unrechtmäßig auf der Internetseite gestanden habe. In dieser Zeit habe niemanden etwas bestellt. Die Forderung sei völlig unverhältnismäßig.
Tillmann war nicht bereit zu zahlen, woraufhin der IDO sie vor dem Landgericht Berlin verklagte. Woher der IDO seine grundsätzliche Legitimation nimmt? Rechtsfähige Verbände, die eine „erhebliche Zahl“ von Mitgliedern aufweisen, dürfen solche Klagen anstrengen. Das steht im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.
Der Richter entschied, dass es tatsächlich nicht angemessen sei, wegen dieser Formulierung 3.000 Euro zu verlangen. 2.000 Euro aber seien angemessen. Plus Gerichts- und Anwaltskosten. Tillmann hat Berufung eingelegt.
Laut Recherchen des ZDF hat der Interessenverband Deutscher Onlinehändler im Jahr 2017 rund 7.000 Abmahnungen allein an Kleinhändler verschickt. Ein Kölner Jurist schätzt, dass dabei ein Umsatz von etwa 17,5 Millionen Euro generiert wurde.
Um diesem Geschäftsmodell Einhalt zu gebieten, fordert Astrid Tillmann eine sogenannte „Notice and Take Down“-Regelung. Nach dieser Regelung, die in vielen EU Ländern bereits besteht, würde man zunächst darauf hingewiesen, wenn etwas in den AGB nicht juristisch korrekt formuliert ist. Erst wenn man nicht bereit ist, solche Fehler zu beheben, kann man belangt werden.
Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums erklärt, dass man der „Abmahnmaschinerie“ Einhalt gebieten will und dafür einen Gesetzentwurf formuliert habe.
Astrid Tillmanns Petition hat über 51.500 Unterschriften – eine „erhebliche Zahl“, könnte man sagen. Clemens Sarholz
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