leibesübung*innen: Die den Berg liest
Skirennfahrerin Emma Aicher zeigt endlich, was sie kann. Das war in der Vergangenheit nicht immer so
Am Ende des Wochenendes in Kvitfjell war Emma Aicher doch wieder jene Emma Aicher der ersten Saisonhälfte. Die, die ihre Trainer gelegentlich verzweifeln lässt, weil sie die Kurve nicht immer richtig kriegt und deshalb am Tor vorbeifährt. Aber es bleibt dieses Mal nicht ihr Ausscheiden im Super-G hängen, sondern die beiden Weltcup-Abfahrten in Norwegen davor. Am Freitag als Zweite zum ersten Mal in ihrer Karriere auf dem Podest, das war schon eine Überraschung. Und dann erst recht am Samstag der Sieg, der erste einer deutschen Skirennläuferin seit fünf Jahren.
Wer es schafft, eine gute Leistung am nächsten Tag nicht nur zu bestätigen, sondern sie sogar zu übertreffen, bei dem stimmen nicht nur die Skitechnik und die körperliche Fitness, sondern auch die mentale Bereitschaft. Emma Aicher ist keine, die sich beeindrucken lässt. Weder vom eigenen Erfolg noch von dem, was um sie herum passiert. Der zweite Platz am Freitag hat sie eher erstaunt, als dass er zu großen Gefühlsausbrüchen geführt hätte. Dass sie ihren Sieg als „mega“ bezeichnet, ist schon das Höchste an Begeisterung, was von der gebürtigen Schwedin zu hören war. Und sie hat anschließend getan, was in so einem Fall getan werden muss, Novizinnen auf dem Podest aber schwerfällt: sich nicht zu sehr mit dem Erreichten beschäftigen, sondern mit dem nächsten Rennen. „Ich habe versucht, gestern zu vergessen. Ich musste es ja heute noch einmal machen“, sagte sie nach ihrem Triumph am Samstag.
Diese Gelassenheit und Unaufgeregtheit hilft der Hochbegabten auf dem Weg nach oben. Für die Trainer ist es manchmal nicht so einfach, weil Emma Aicher mit Rückschlägen besser umgehen kann als ihr Umfeld. Er habe in seiner langen Trainerkarriere kaum einmal eine Athletin wie Aicher betreut, sagt der deutschen Frauen-Cheftrainer Andreas Puelacher; eine, die so lernfähig gewesen sei, aber gleichzeitig über eine so große Resilienz verfüge. Ein wenig erinnere sie ihn an den dreimaligen österreichischen Olympiasieger Matthias Mayer. „Der hat sich nach einer Niederlage kurz geschüttelt, aber am nächsten Tag war es vorbei“, sagt er, der bis Frühjahr 2022 die österreichischen Männer betreut hat.
Er hatte mit Aicher von Anfang an auf die Vier-Disziplinen-Strategie gesetzt und in Kauf genommen, dass die Erfolge auf sich warten ließen. Jetzt sind sie da. Elisabeth Schlammerl
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