kommentar: Die angeforderte Anforderung: Schröder will in die erste Reihe
Die Bereitstellung deutscher Truppen erfolgt auf „Anforderung“ der Vereinigten Staaten. Die Regierung reagiert „auf Bitten um ganz bestimmten Beistand“. Niemand hat sich „aufgedrängt“. Der Kanzler als vorsichtiger Staatsmann, der das Risiko kennt, aber das Abenteuer scheut, der den Verbündeten nicht brüskiert und Deutschland nicht isolieren will. Die Präsentation war perfekt, als Gerhard Schröder den ersten Kriegseinsatz deutscher Kampftruppen nach dem Zweiten Weltkrieg bekannt gab.
Das Bild des zögernden, aber verantwortungsvollen Machers währte nicht lange. Eine konkrete Anforderung aus Washington hat es nicht gegeben, erklärte Donald Rumsfeld nur wenige Stunden nach Schröders Ankündigung. Ausgerechnet der US-Verteidigungsminister stellte mit seiner Äußerung auf der weltweit übertragenen Pressekonferenz des Pentagon die Glaubwürdigkeit des deutschen Bundeskanzlers in Frage – und warf damit die Frage nach den eigentlichen Motiven der Bundesregierung für den Militäreinsatz auf.
Die Klarstellung war kein Ausrutscher des Pentagon-Chefs. Zwar liegt der Bush-Regierung daran, sich mit einer möglichst engen Einbindung gegen mögliche Kritik an ihrer Kriegsführung abzusichern. Rumsfeld würde sich aber lächerlich machen, würde er behaupten, dass die mit Abstand größte Militärmacht der Erde andere Regierungen um ein paar hundert Soldaten anbetteln muss.
Wir haben uns leider schon daran gewöhnt, dass auch demokratische Regierungen es im Krieg mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Wenn aber die Regierung jetzt den Vorwurf der Lüge riskiert, dann muss sie dafür einen guten Grund haben. Offenbar fürchtet sie, dass die wahren Motive in der Bevölkerung schlechter ankommen als die Berufung auf die schwere Last der Beistandspflicht.
Wenn man der Regierung fairerweise zugesteht, nicht aus wahltaktischen Motiven zu handeln, kann es ihr nur darum gehen, durch militärische Macht auch politischen Einfluss zu gewinnen. Leider ist militärische Macht in der Außenpolitik tatsächlich immer noch bestimmender Faktor für politische Einflussnahme.
Die Frage ist jedoch, ob man dies akzeptiert oder versucht, dem entgegenzuwirken. Selbst in der EU-Außenpolitik soll jetzt nur noch mitreden dürfen, wer auch bereit ist, Krieg zu führen. Die Kungelrunden der großen EU-Militärmächte haben hier ein fatales Zeichen gesetzt. Auch an der Regelung der Nachkriegsordnung in Afghanistan werden die USA wohl vor allem die Länder beteiligen, die Truppen entsandt haben.
Die Bundesregierung will offenbar künftig mit den großen Militärmächten an einem Tisch sitzen. Deshalb ist sie bereit, Soldaten in alle Welt zu schicken. Den Mut, dies auch der Öffentlichkeit zu sagen, hat sie offenbar nicht. Eine rot-grüne Regierung, die Außenpolitik als Friedenspolitik versteht, hätte aber gerade die Aufgabe, der Legitimierung politischen Einflusses durch die Demonstration militärischer Stärke entgegenzutreten. ERIC CHAUVISTRÉ
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