kommentar: Union schwimmt mit – die Flut hat ihre Steuerkompetenz weggespült
Der Edmund und die Bild haben Recht. Wenn das Hochwasser, wie es im Moment aussieht, eine „nationale Katastrophe“ ist, dann sollten auch alle dafür einstehen: Klein- und Großverdiener, der Mittelstand – und natürlich auch die Konzerne. Die Kapitalgesellschaften haben in den beiden vergangenen Jahren etliche Milliarden Steuerersparnis eingefahren. Trotz allen Gejammers über die Konjunktur ist also genug Geld da. Die Daimlers und die Bertelsmänner können durchaus helfen: Trümmer wegräumen, von den Fluten enteignete Menschen unterstützen, Solidarität zeigen.
Trotzdem irritieren der Ministerpräsident und seine Adjutanten von Bild. Diese zitiert Stoiber nicht etwa, sie veredelt seine Argumente eins zu eins zu Aufmachern – was unappetitlich ist. Und peinlich, wenn die Fakten nicht stimmen. Es geht nämlich nicht, wie das Massenblatt in einer Schlagzeile behauptet, „nur den Kleinen ans Geld“. Das ist Unsinn.
Die Steuerreform zu verschieben – wie von Rot-Grün vorgeschlagen und von der Union nun doch mitgetragen – ist unangenehm, weil die Bürger erst ein Jahr später entlastet werden. Aber sozial ungerecht ist das gerade nicht. Denn Frisösen, Maurer und Erzieherinnen zahlen absolut und relativ weniger für die Flutopfer als, sagen wir, Harald Schmidt oder die BMW-Familie Quandt. Der Kandidat konstruiert aus der „steuerlichen Flutbereinigung“ nun eine soziale Schieflage. Die Verschiebung der Einkommensteuerreform hat zwar ein Manko: Kapitaleigner werden als Personen, nicht aber als Unternehmer herangezogen. Doch Stoiber nutzt das, um sein Verwirrspiel mit den Industriesteuern weiterzutreiben. Er suggeriert, er werde die Steuerreform für Unternehmen im Falle seines Wahlsieges zurücknehmen. Das ist eine Lüge – oder eine Dummheit.
Wer etwa den Umbau der Körperschaftsteuer stoppt, der stellt deren europäische Harmonisierung in Frage, der verzichtet auf erhebliche Einnahmen, die der Systemwechsel bringen wird, kurz: der zertrümmert das Restvertrauen in den Steuerstaat. Die Gerechtigkeitsfrage, ob der Bürger oder die Wirtschaft die Flut eindämmen soll, lässt sich unaufgeregt mit einem Sowohl-als-auch beantworten. Man zieht die Industrie zur Schadensbeseitigung mit heran, indem man die Körperschaftsteuer befristet anhebt. Der Kanzler hat sein Okay signalisiert, selbst Industriepräsident Rogowski wäre dafür zu haben. Doch die Union mäkelt weiter: Der Grund dafür ist einfach: Der Kandidat muss davon ablenken, dass die Flut seine vermeintliche Kernkompetenz unterspült hat. Ein eigenes Steuerkonzept vorzustellen traut sich die Union derzeit nicht. CHRISTIAN FÜLLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen