kinderbericht: Soziale Zeitbombe
Schlechte Nachrichten brauchen manchmal etwas länger. Der erste Kinder- und Jugendbericht des Senats brauchte sogar mehrere Jahre. Zu Recht, was die Schlechtheit der Nachricht betrifft. Berlin ist eben nicht nur die Hauptstadt der Start-ups und der New Economy. Berlin ist auch eine Stadt der „Old Poverty“, oder wie es im Bericht selbst formuliert wird: „Die Kinderarmut gefährdet die Stadt.“
Kommentar von UWE RADA
Schon heute weisen Experten immer auf eine Schere hin, die in Berlin besonders groß ist: die Kluft zwischen den Anforderungen des neuen Marktes und der tatsächlichen Qualifikation der Arbeitssuchenden. Der Kinder- und Jugendbericht macht klar, dass diese Kluft in Zukunft nicht geringer werden wird. Im Gegenteil: Zwischen der wachsenden Zahl an Bildungsverlierern und der neuen Mitte wird der Graben immer größer. Die einen konkurrieren um ein paar übrig gebliebene Ausbildungsplätze für Schulabbbrecher, die andern um Millionen an Risikokapital.
Darüber hinaus macht der vorliegende Bericht des Senats deutlich, dass die Verlierer auf dem Arbeitsmarkt ein Geschlecht und eine Nationalität haben: Vor allem junge Frauen und ausländische Jugendliche haben ein besonders hohes Risiko, nach der Ausbildung arbeitslos zu werden. Damit entwickelt sich ein Teufelskreis von Armut, sozialer Deklassierung und Nicht-Bildung, der auch in Berlin bald zu einer „Urban Underclass“ führen könnte, wie sie für amerikanische Städte, aber auch für die französische Banlieue längst typisch ist.
Wie gesagt, schlechte Nachrichten brauchen Zeit. Viel Zeit ist aber nicht mehr vorhanden. Natürlich, auch in Paris lassen sich die Gewinner der Globalisierung nicht von den Riots in den Vorstädten beunruhigen. Doch in Berlin konzentrieren sich die Probleme nicht draußen, sondern mitten in der Stadt. Höchste Zeit also, den Teufelskreis aus Armut und Nicht-Bildung zu durchbrechen. Und zwar mit Geld, nicht mit Sonntagsreden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen