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jenni zylka über Sex & Lügen Der geheime Code der Nylon-Liebhaber

Fetischismus kommt meist in Fernsehen, Zeitung und Internet vor – im wahren Leben tun es gebrauchte Schlüpfer nicht

Wenn ich mir eine Fetisch-Art aussuchen müsste, würde ich natürlich Infantilistin werden. Nicht, weil ich so gerne erwachsene Männer mit Inkontinenzwindeln wickle, ihnen überdimensionale Babyrasseln in die Hand gebe und „duziduziduzi“ mache. Auch nicht, weil ich auf Still-BHs (müssen die Infantilistinnen tragen!) und Schwesterntracht stehe. Nein, die InfantilistInnen dieser Welt haben eine eigene Zeitung: ein monatliches Infantilistenblatt. In den USA heißt es „The New Mommy Magazine“. Das könnte ich redaktionell betreuen.

Ist schließlich ohnehin mein Job. Gerne würde ich Anzeigen wie „Riesenbaby sucht nette Amme“, „Krabbelgruppe für Erwachsene sucht noch Mitglieder“ und „Women in diapers, come out and play!“ annehmen. Gerne auch würde ich Leitartikel verfassen über „naughty adult babies“ und die Schwierigkeiten, erwachsenenkopfgroße Babymützchen zu finden. Damit man mich nicht falsch versteht: Ich selbst neige eher zu Erwachsenen, die auch so aussehen. Aber ich finde, sexueller Fetischismus hat manchmal etwas überaus Belustigendes, vor allem, wenn man als staunende Nichtbetroffene darangeht.

Obwohl der Fetischismus, das ist meine Erfahrung, in erster Linie in der verschrobenen Realitätsabbildung Fernsehen, Zeitung und Internet vorkommt, nicht so sehr in der wirklichen Welt. So hat eine Freundin von mir zwar versucht, ein Getragene-Höschen-Verschickungs-Netzwerk in Deutschland aufzubauen, und zu diesem Zweck all ihre weiblichen Bekannten angeschrieben, denn sie wollte möglichst viele verschiedene Größen anbieten können. Aber das Ganze ist geplatzt: Für drei mickrige Anfragen aus Japan kauft man doch keine Großpackung hässlicher, weißer Baumwollslips! Das liegt daran, dass jedes Land, besser gesagt die Männer jedes Landes (auch wenn Fetischisten-Homepages und -Informationsblätter etwas anderes behaupten: Frauen haben fetischmäßig meist nur etwas übrig für Schuhe, und zwar mit ihren eigenen Füßen drin) die Fetische pflegen, die sie verdienen. Und je stärker so ein Land seine Frauen verhüllt, desto interessanter wird vermutlich das darunter.

Andererseits, und das soll heute auch das letzte zum Thema Höschen sein, andererseits kenne ich erwachsene Männer, deren fetischistische Neigungen minimal bis gar nicht entwickelt sind, und die trotzdem immer noch über „Deckel hoch, der Kaffee kocht“-Witze lachen können. Aber das könnte man vielleicht eher unter dem Etikett „Pubertärismus“ abspeichern.

Frauen, die professionell im Bereich Männerlust arbeiten, freuen sich angeblich übrigens am meisten über Fußfetischisten: Das ist so einfach, man hält einfach seine Füße in die Kamera und damit hat es sich, erzählte mal eine Internetstripperin. Und für Fußfetischisten gibt es ja auch eine Menge Berufe, in denen sie glücklich werden können: Schuhverkäufer, Schuhmacher, Orthopäde, Bademeister oder Reflexzonenmasseur.

Nylon-Fetischisten dagegen tummeln sich vermutlich doch eher im Internet, bis auf den einen, der neulich bei „Wetten, dass?“ vor der versammelten deutschen Zuschauerschaft neun verschiedene Strumpfhosenhersteller allein durch Ertasten des Zwickels erraten durfte – das war gewiss ein Fest für den Mann. Hätte man auch gar nicht gedacht, dass eine so spießige Sendung wie diese ein so offenes Ohr für Menschen mit ungewöhnlichen sexuellen Neigungen hat. Wenn das rumgeht, könnte sich so einiges ändern bei dem Sender, der bis dato höchstens Dritte-Zähne-Fetischisten featuren mochte.

Zufällig habe ich übrigens gestern, auf der Suche nach schicken 60er-Jahre-Minikleidern (ich verbitte mir, dass jetzt jemand „hört, hört“ sagt!), eine der Nylon-Fetischisten-Hochburgen entdeckt: Im Internet-Auktionshaus eBay gibt es seitenweise Menschen, die Nylon-Strumpfhosen aus den 50er- und 60er-Jahren anbieten, teilweise gleich Großpackungen, meistens mit Preisvorgaben um die eine bis zwei Mark – da kann mir doch keiner erzählen, es ginge um Geld! Nein, das ist ein versteckter Nylon-Liebhabertreff, und vermutlich benutzen die Teilnehmer irgend so einen Nylon-Geheimcode, den unsereins als unwissende 60er-Jahre-Minikleid-Suchende schon gar nicht versteht.

Wo Licht, da auch Schatten, und wo Fetischismus, da auch Antifetischismus. Antifetischisten zerstören ihre Fetische mit Vorliebe, und wenn man an die Tränen der Frauen denkt, denen der gemeine Antifetischist aus der Nachbarschaft gerade die Schuhsammlung verbrannt hat, dann möchte man doch umso mehr zu Toleranz für den Fetischismus aufrufen. Immerhin hat er irgendwie etwas mit Zuneigung zu tun.

Fragen zu Sex & Lügen?kolumne@taz.de

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