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Hamburgs rot-grüne KoalitionsgesprächeEs soll weiter Geld regnen

Jan Kahlcke
Kommentar von Jan Kahlcke

Damit Hamburg die Milliarden der kommenden Jahre überhaupt ausgeben kann, wollen SPD und Grüne Umweltklagen gegen Großprojekte einschränken.

Soll sich nicht wegen irgendwelcher Tellerschnecken oder Feldlerchen verzögern: der Neubau der maroden Köhlbrandbrücke Foto: Georg Wendt/dpa

E in Lieferwagen dieselt über den Adolphs­platz in der Hamburger Innenstadt. ­Peter Tschentscher (SPD) muss dagegen anreden. „Wo ist denn hier die Mitte?“, fragt er, bevor er sich vor den Kameras zentriert. Und das könnte auch das Motto der bisherigen Koalitionsverhandlungen mit den Grünen sein.

„Wir sind ja hier zusammengekommen, um Transparenz herzustellen“, fährt der Erste Bürgermeister fort. Das gelingt in diesem wolkigen Kurzstatement der Ver­hand­le­r:in­nen zumindest insofern, als man hinterher weiß: Die alten und vermutlich bald neuen Koalitionäre haben sich zunächst die weniger strittigen Themen vorgenommen. Und sie werden sehr, sehr viel Geld ausgeben.

Gewaltige Investitionen in die Modernisierung der Infrastruktur würden nötig, so Tschen­tscher. Deswegen werde Hamburg den „Planungs- und Genehmigungs-Beschleunigungspakt“ unterstützen. Entschieden wird darüber zwar im Bund. Aber Rot-Grün in Hamburg will ihn „unterstützen“.

Es geht dabei vor allem um die Einschränkung von Klagemöglichkeiten gegen Großprojekte. Künftig solle der Artenschutz Priorität genießen vor dem Schutz des einzelnen Tieres, sagt Tschentscher. Er hat für diese Tiere, die dem Fortschritt im Wege stehen, auch ein Beispiel, das so populär ist, dass es schon fast populistisch ist: die Tellerschnecke.

Die Zierliche Tellerschnecke ist ein Rotes Tuch

Die nämlich, genauer: die „Zierliche Tellerschnecke“, steht auf der Roten Liste und ist für Politiker ein Rotes Tuch. Denn sie hat in Hamburg-Bergedorf mal einen Logistikpark so lange verzögert, bis er gar nicht mehr gebraucht wurde. Umgesiedelt wurde sie dennoch, und zwar nicht eine einzelne, sondern Zigtausende Exemplare, für Hunderttausende Euro. Ein klassisches Artenschutzprojekt, das die Grünen gut finden müssten.

Deren Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank ist für die Verkündung der guten Nachrichten zuständig: Man werde „massiv Finanzmittel reinschlagen“ in Infrastruktur, Klimaschutz, Forschungsentwicklung und Sanierung der Hochschulgebäude. Hamburg solle ­„KI-Hotspot“ werden. Und sie gibt ein „klares Bekenntnis zur Kultur“ ab – „anders als an anderen Standorten“, teilt sie in Richtung Berlin aus.

In Hamburg scheint das Geld auch die nächsten fünf Jahre zu sprudeln. Gut dass das Thema Finanzen schon gleich am Anfang ausverhandelt wurde. „Transparent“ wird davon kein Wort, geschweige denn eine Zahl.

In der nächsten Verhandlungsrunde könnte es ungemütlicher werden. Da soll es um Umwelt und Verkehr gehen. Wir hätten da schon mal einen Vorschlag: Verkehrsberuhigung für den Adolphsplatz. Oder Verbrenner-Verbot für die Innenstadt. Stromer sind ja nicht so laut.

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Jan Kahlcke
Redaktionsleiter
Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück
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