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heute in hamburg„Lehrkräfte sind Rollenvorbilder“

Online-Vortrag „Diversitätssensibilität in Gesellschaft & Bildungsinstitutionen“, Uni Hamburg: ab 18:15 Uhr, Anmeldung via sonja.kanemaki@uni-hamburg.de

Interview Lukas Door

taz: Herr Fereidooni, wie divers sind deutsche Schulen und Universitäten?

Karim Fereidooni: Es kommt auf die Schulen an. Je prestigeträchtiger die Schulform ist, desto weniger divers ist sie. Ganz am Ende der Pyramide stehen die Universitäten, die leider kein Spiegelbild der Gesellschaft darstellen. Wenn wir uns beispielsweise anschauen, wer an Universitäten lehrt, dann müssen wir feststellen, dass sowohl Frauen als auch Menschen of Color und Schwarze Menschen bedeutend seltener Professuren innehaben.

Was gilt in dieser Gesellschaft als „normal“?

Als „normal“ wird eine Person wahrgenommen, die heterosexuell ist, aus dem Bildungsbürgertum stammt und dessen Eltern bei den Hausaufgaben helfen können. Das sind die Normalitätsvorstellungen. Das deutsche Schulsystem ist nämlich darauf ausgerichtet, dass Eltern ihre Kinder auf der weiterführenden Schule unterstützten. Wenn deine Eltern dazu nicht in der Lage sind, sinkt die Wahrscheinlichkeit des eigenen Bildungserfolgs. Die „Normalität“ sieht ebenfalls vor, dass Lehrkräfte aussieben müssen. Wenn jemand zu schlecht ist für das Gymnasium, dann geht sie*­er auf die Realschule. Man kann jedoch nicht im Alter von zehn Jahren wissen, ob Karim letztendlich Akademiker wird oder nicht.

Warum wollen Sie diese „Normalitäten“ gerade im Bildungswesen abschaffen?

Führungs- und Lehrkräfte sind Rollenvorbilder. Auch deswegen wünsche ich mir, dass Lehrkräfte über Normalitätskonstruktionen nachdenken. Oft orientieren wir uns als Lehrende an einer Normalität, die vergleichsweise selten vorkommt. Es geht aber auch darum, dass individuelle Leistungen von strukturellen Maßnahmen flankiert werden. Es soll nicht einfach ein bestimmter Kurs von der Schulleitung durchgesetzt werden, sondern alle schulrelevanten Personen – Eltern, sonstige Arbeitskräfte, Schü­le­r*in­nen – sollen sich einbringen. Es braucht einen partizipativen Prozess, der alle Lebensrealitäten berücksichtigt.

Wie gehen Sie das konkret an?

Foto: privat

Karim Fereidooni

Jg. 1983, ist Juniorprofessor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der Ruhr-Uni Bochum. Er forscht unter anderem über diversitätssensible Lehrer*in­nenbildung.

Durch Aufklärungsarbeit und konkrete Umsetzungsbeispiele. Ich habe beispielsweise mit Nina Simon ein Buch herausgegeben: „Rassismuskritische Fachdidaktiken“. Darin haben wir gemeinsam mit weiteren Au­to­r*in­nen vierzehn verschiedene Fächer fokussiert – Physik, Mathe, Sport und so weiter. Wir haben uns angeschaut, wie in diesen Fächern jeweils rassismuskritisch gearbeitet werden kann. Rassismuskritik ist dabei nur ein Bestandteil von Diversitätskompetenz. Ich würde mir wünschen, dass mithilfe dieser Umsetzungsbeispiele Lehrkräfte angeregt sind, Diversitätssensibilität im pädagogischen Alltag umzusetzen.

Haben Sie eine Forderung an die Politik?

Meine politische Forderung lautet, die frühzeitige Selektion nach Klasse vier oder sechs abzuschaffen. Zudem brauchen wir weniger statt noch mehr Schulformen. Die Klassen sollten ebenfalls kleiner sein, damit binnendifferenziert gearbeitet werden kann. Ich muss wissen, wann ich Kinder gleich behandeln sollte und wann zu differenzieren ist. Wir sollten nicht länger die Blaupause der heterosexuellen, weiß-deutschen, bildungsbürgerlichen Person vor Augen haben, wenn wir in diversen Klassenräumen unterwegs sind.

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