heute in hamburg: „Worte für die Leerstelle“
Lyrik 40 Jahre nach dem Militärputsch beschäftigt sich eine poetische Lesung mit Argentinien
41, Anwältin und Menschenrechtsaktivistin, lebt seit neun Jahren in der BRD und schreibt seit ihrer Kindheit.
taz: Frau Alonso, Sie laden uns heute ein zu „einer Reise in Versen“. Wohin nehmen Sie uns mit?María Alonso: Zu einer Reise in Zeit und Raum zwischen Lateinamerika und Deutschland und zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Anlässlich des 40. Jahrestages des Militärputsches beginnen wir in Argentinien. Zusammen mit meinem kolumbianischen Kollegen Erik Arellana Bautista reisen wir aber auch nach Kolumbien und wieder nach Hamburg, weil wir ja hier leben.
Wie gehen Sie mit diesem Thema um?Im Hintergrund projizieren wir Videos und auch persönliche Bilder von unseren Eltern oder aus unserer Kindheit. Außerdem interpretiert die Sängerin Moxi Beidenegl Lieder aus Lateinamerika, begleitet von dem argentinischen Gitarristen Jorge Cidades, der eine besondere Affinität zum Tango hat.
Wovon handelt Ihre Lyrik?Wir erzählen persönliche Geschichten. Eriks Mutter wurde Opfer des gewaltsamen Verschwindenlassens, mein Vater wurde ermordet. Wir beide versuchen Worte zu finden für die Leerstelle, die sie hinterlassen haben. Außerdem geht es um KampfgefährtInnen wie die Mütter und Großmütter des Plaza del Mayo und die Zeit des Staatsterrorismus in Argentinien.
Was hat diese Vergangenheit mit heute zu tun?Wir betrachten die Vergangenheit, die betrifft aber auch unsere Kinder und die folgenden Generationen. Wir machen Erinnerungsarbeit, aber der Kampf um Wahrheit und Gerechtigkeit geht weiter. Außerdem beschäftigen wir uns damit, was es heißt, als Immigrantin in Deutschland zu leben.
Sollte man sich auf ein trauriges Programm einstellen?Nein, unsere Lyrik und unsere Lesungen strahlen viel Optimismus und eine große Lebenslust aus. Es ist ein Signal, eine Botschaft, dass sie uns nicht besiegt haben.
Gehen Sie und Ihr Kollege Erik Bautista unterschiedlich mit Ihren Erfahrungen um?Meine Gedichte sind etwas mehr nach innen gekehrt und persönlicher. Mein Stil ist einfacher, der von Erik dagegen komplexer. Seine Gedichte drehen sich zwar auch um seine Geschichte, aber vor allem um die Kolumbiens, des Konflikts und dessen Hintergründe. Wir beschäftigen uns mit sehr ähnlichen Geschichten, aber drücken uns unterschiedlich aus.
Interview Jochen Schüller
Lesung „Eine Reise in Versen“ im Rahmen der Romero Tage: 19 Uhr, Instituto Cervantes, Fischer-twiete 1, Eintritt frei
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