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heute in bremen„Frauen werden Opfer, weil sie Frauen sind“

Foto: privat

Bärbel Reimann 52, Leiterin Stabsbereich Frauen bei der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz und Leiterin Fachthemen bei der Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau.

Interview Lotta Drügemöller

taz: Frau Reimann, ab heute wird in Bremen der Landesaktionsplan gegen Gewalt an Frauen erarbeitet. Wenn Geld keine Rolle spielen würde – was müsste da rein?

Bärbel Reimann: Vielleicht überrascht es, aber das ist nicht in erster Linie eine Geldfrage. Die Mittel für Beratungsstellen im Bereich Gewalt gegen Frauen und Menschenhandel wurden im Haushalt schon deutlich aufgestockt. Natürlich wünschen wir uns mehr Platz in Frauenhäusern, die während Corona an Belastungsgrenze kommen. Aber vieles könnte sich schon verbessern, wenn die Vernetzung besser wäre.

Was meinen Sie damit?

Wenn sich eine Frau Hilfe suchend an eine Stelle wendet, darf sie nicht danach in eine Lücke fallen: Nach der ersten Beratung oder Anzeige muss es weitergehen. Die Institutionen müssen sich also besser kennen und Frauen weitervermitteln. Hier gibt uns auch die Prävention einen Auftrag: Wie also schaffen wir es, dass Gewalt nicht als Lösung angesehen wird? Mich hat vor einiger Zeit eine Studie sehr erschreckt: Danach sind Kinder und Jugendliche in Deutschland im europäischen Vergleich sehr wenig sensibel dafür, Gewalt als solche zu erkennen. Vielleicht fehlt hier eine bestimmte Form der gesellschaftlichen Reflexion – etwa zu den Kinderrechten und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Wenn eine Beratungsstelle aufgesucht wird, ist die Gewalt schon passiert ...

Ja, Institutionen müssen auch lernen, Bedrohungssituationen für Frauen besser zu erkennen und entsprechend zu handeln. Hier braucht es eine gute Zusammenarbeit zwischen Polizei, Beratungsstellen und Staatsanwaltschaft.

Täter von Gewalt sind häufig Männer. Aber Opfern werden doch beide Geschlechter – warum dieser Fokus auf Gewalt an Frauen?

Tatsächlich ist es so, dass Männer in der Öffentlichkeit häufiger Opfer werden als Frauen. Die Istanbul-Konvention, auf die sich der Landesaktionsplan bezieht, stellt aber als europaweites Übereinkommen die Situation von Frauen in den Mittelpunkt. Es geht dort um Gewaltformen, die sich überwiegend gegen Frauen richten – um häusliche Gewalt, sexualisierte Gewalt, Zwangsverheiratung oder Genitalverstümmelung. Frauen werden nicht deshalb Opfer, weil sie eine individuelle Person sind, sondern eben weil sie Frauen sind. Für Frauen ist der gefährlichste Ort nicht die Öffentlichkeit, sondern ihr Zuhause.

Videokonferenz als Auftaktveranstaltung zur Erarbeitung eines Landesaktionsplans gegen Gewalt an Frauen mit 140 Fachleuten, ab 10 Uhr

Ändert das etwas daran, wie man dieser Gewalt begegnen muss?

Es fällt vielen Frauen schwer, sich Hilfe zu suchen. Bei häuslicher Gewalt haben sie oft Schamgefühle, sogar Schuldgefühle. Zum Glück haben wir in den letzten 15 Jahren schon immense Fortschritte gemacht. Auch durch die MeToo-Debatte gibt es endlich das Bewusstsein: Häusliche Gewalt ist keine Privatsache, das ist nicht rechtens.

Wird also alles besser?

Leider nein. Es gibt auch eine Gegenbewegung, was Frauenrechte angeht: Polen will aus der Istanbul-Konvention austreten und auch in der Türkei wird das diskutiert. Das sind sehr beunruhigende Signale.

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