piwik no script img

heute in bremen„Das ist nicht die Geschichte der anderen“

Ndzodo Awono ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hamburg zur Provenienzforschung und Mitarbeiter des Übersee-Museums

Interview Sophie Lahusen

taz: Herr Awono, das Thema Provenienzforschung in deutschen Museen hat es 2018 in den Koalitionsvertrag geschafft; ein längst überfälliger Schritt?

Ndzodo Awono: Bis vor ein paar Jahren hätte ich mir nicht vorstellen können, dass sich ein europäisches Land auf politischer Ebene überhaupt mit diesem Teil der Geschichte befasst. Es ist ein erster Schritt für die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte, die viel zu wenige Leute kennen, vor allem junge Leute.

Sehen Sie da ein strukturelles Problem?

Ja, beispielsweise im Vergleich zu der Aufarbeitung der Weltkriege, die klar als Schattenseiten der europäischen Geschichte gesehen werden. Genauso ist die Kolonialgeschichte ein dunkler Fleck in der Geschichte, doch wird sie nicht als solcher denunziert und alle bleiben stumm.

Können Sie sich das erklären?

In meinem Kopf ist da nur ein großes Fragezeichen. Kolonialgeschichte ist nicht die Geschichte der anderen, der Afrikaner*innen, wie es oft dargestellt wird. Kolonialgeschichte ist genauso die Geschichte der Europäer*innen. Kolonialisierung ist eine europäische Erfindung.

Worin sehen Sie die Aufgabe der Museen, wie dem Übersee-Museum, bei der Aufarbeitung der Geschichte?

Es liegt eine große Verantwortung bei den Museen. Es ist ihre Aufgabe, die Öffentlichkeit genau wissen zu lassen, woher und unter welchen Umständen die Objekte in die Sammlung gekommen sind. Man muss den Werken ihren Kontext geben.

Was meinen Sie mit Kontext?

Diese Objekte sind Teil der afrikanischen Identität, und hier werden sie zum Teil als Luxusgüter ausgestellt. Ich frage mich oft, ob die Leute verstehen, was diese Objekte für eine Bedeutung in ihrem Herkunftsland haben.

Podiumsdiskussion „Europäischer/deutscher Kolonialismus und seine Narrative“. Veranstaltet von „die apokalyptischen tänzer*innen“ und der Heinrich-Böll-Stiftung, 20 Uhr, Kukoon, Buntentorsteinweg 29.

Es wird oft zwischen „Raubkunst“ und „friedlich erworbener Kunst“ unterschieden, – sollte es diese Trennung überhaupt geben?

Was soll friedlich in einer Kolonialsituation­ bedeuten? Das ist ein Widerspruch in sich. Wenn Machthaber von Rechtlosen etwas erwerben in einer Währung, die nicht ihre ist, kann man wohl kaum von „Kauf“ sprechen. Das ist Raub.

Was sollte also passieren?

Die Umstände, wie diese Kunstgegenstände nach Europa gekommen sind, müssen erst einmal öffentlich gemacht werden. Das ist nicht nur Aufgabe der Forscher, sondern auch der Politiker.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen