piwik no script img

heute in bremen„Klimaziele sind nicht ehrgeizig genug“

Foto: privat

Lisa Pörtner, 34, Ärztin und Sprecherin von Greenpeace Bremen.

Interview Florian Fabozzi

taz: Frau Pörtner, welche Absicht steckt hinter dem heutigen Flashmob?

Lisa Pörtner: Wir wollen keine Panik verbreiten, aber auf die Dramatik der Situation hinweisen. Der Anstieg des Meeresspiegels ist bei vielen nur am Rande des Bewusstseins, da er wenig greifbar ist. Dabei ist 90 Prozent der Stadt jetzt schon überflutungsgefährdet.

Wann könnte Bremen denn unter Wasser stehen, wenn wir so weitermachen wie bisher?

Das ist schwierig zu beziffern, die Klimawissenschaft ist ein wenig ungenau. Wenn es uns aber nicht gelänge, die Emissionen zu senken, wird das Klima bis zum Ende des Jahrhunderts um drei bis vier Grad steigen. Parallel dazu kann der Meeresspiegel bis zum Jahr 2300 um vier Meter steigen. Durch den Bau von Deichen können wir eine Überschwemmung hinauszögern, aber das geht nicht ewig gut. Im schlechtesten Fall könnte Bremen schon in zwei, drei Jahrhunderten unter Wasser stehen.

Welche Maßnahmen benötigt es, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen?

Der Weltklimarat hat dazu im vergangenen Jahr Zahlen vorgelegt. Wir haben noch ein CO2-Budget von 420 Gigatonnen, das eingesetzt werden kann. Demnach müssten die Emissionen bis 2050 auf Netto-Null gesenkt werden. Die Klimaziele der Bundesregierung sind nicht ehrgeizig genug: Sie fordern eine Reduzierung der Emissionen um 55 Prozent bis 2030. Wir denken, dass eine Reduzierung von 65 Prozent notwendig ist.

Welche Anreize zum umweltbewussteren Leben muss die Politik den Bürger*innen schaffen?

Flashmob „#unterWasser“ der Greenpeace Bremen zum Anstieg des Meeresspiegels im Rahmen der „Week4climate“: 14.30 Uhr, bei den Bremer Stadtmusikanten

Klimaschädliches Leben muss teurer werden, zum Beispiel durch eine CO2-Steuer. Der öffentliche Nahverkehr und der Zugverkehr müssen im Vergleich zum Flug- und Autoverkehr deutlich vergünstigt werden. Auch die ökologische Landwirtschaft muss gefördert, der Preis für Fleischprodukte erhöht werden. Zudem sollten Belohnungen für klimafreundliches Wohnen, etwa, indem man ein Gebäude energieneutral saniert, eingeführt werden.

Wie kann man im ganz normalen Alltag einen eigenen Beitrag zum Klimaschutz leisten?

Ein Weg wäre, sich mehr von pflanzlichen Produkten und Produkten aus der Region zu ernähren. Außerdem sollte man sein Konsumverhalten überdenken und mehr aus zweiter Hand kaufen. Nicht zuletzt könnte man öfter aufs Fahrrad steigen und das Auto stehen lassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen