heute in bremen: „Es ist gut, die Problematik künstlerisch zu verarbeiten“
Maximilian Kraft, 30, Sprecher des Recherchenetzwerks „AfD Watch Bremen“.
Interview Florian Fabozzi
taz: Herr Kraft, mit welchen Mitteln versuchen rechte Bewegungen die Kunstfreiheit einzuschränken?
Maximilian Kraft: Unter anderem durch das „Kapern“ von Veranstaltungen. Sie besuchen etwa Vorlesungen, bei denen sie liberale Grundsätze offen in Frage stellen und Kritik an völkischen Gedankengut als Einschränkung der Meinungsfreiheit interpretieren. Dadurch wollen die mediale Aufmerksamkeit erwirken und gesellschaftliche Debatten nach rechts verschieben.
Welche Strategien verfolgt die AfD?
Sie stellen Anfragen, die der Verunsicherung von Kulturetablissements dienen. Sie fragen dabei beispielsweise, wie groß der Anteil deutscher Mitarbeiter*innen in bestimmten Institutionen ist. Oftmals versuchen sie zudem die Streichung von Fördergeldern zu erwirken. Grundsätzlich beanspruchen sie die Deutungshoheit darüber, was auf deutschen Bühnen zu spielen ist.
Welche Bremer Kulturinstitutionen sind auf dem Radar rechter Bewegungen?
Der Kulturverein Zuckerwerk ist schon länger im Fokus der AfD und Identitäten Bewegung. Schon 2017 haben diese den Verein als linksextremes Sammelbecken kriminalisiert und unter den Vorwand versucht, ihnen die Fördergelder streichen zu lassen.
Was versucht die rechte Szene an Kulturinstitutionen zu diskreditieren?
Das lässt sich anhand eines Beispiels verdeutlichen. Als die Band „Egotronic“ vor einigen Monaten auf einer Veranstaltung in Weyhe auftrat und sich in ihren Titeln kritisch mit reaktionären Deutschtum auseinandersetzte, waren auch Vertreter der Jungen Alternative vor Ort und haben den Auftritt gefilmt. Auf ihren sozialen Kanälen bezeichneten sie das Konzert anschließend als Beweis dafür, dass sogenannte Kulturmarxist*innen an der Zerstörung einer vermeintlich deutschen Identität arbeiten. Marc Jongen von der AfD spricht davon, den Kulturbetrieb „entsiffen“ zu wollen. Kultur müsse einen völkisch-nationalen Charakter erhalten.
Podiumsdiskussion „Kulturkampf von rechts“, Schwankhalle, 19 Uhr
Wie präsent ist die rechte Szene in Bremen?
Es gibt viele Mischgruppierungen mit wechselnden Akteuren und natürlich die Identitäre Bewegung. Viele dieser Gruppen stammen aus dem ländlichen Raum um Bremen. Wir von der AfD Watch schauen aber weniger auf die Quantität der rechten Szene, sondern stellen uns die Frage, wie stabil und wie organisations- und vernetzungsfähig rechte Gruppen sind.
Wie muss die Kulturszene mit Provokationen von rechts umgehen?
Zunächst mal muss ein Problembewusstsein und Kenntnis über rechte Diskurse da sein. Dann ist es wichtig, sich untereinander zu solidarisieren, was mit Bündnissen wie „Die Vielen“ schon erfolgreich geschieht. Auch ist es gut, die Problematik künstlerisch zu verarbeiten und mit dem Publikum in den Dialog zu treten. Die Kulturbetriebe dürfen sich von rechten Angriffen nicht beirren lassen, sondern müssen lauter und sichtbarer denn je sein.
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