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heute in bremen„Das wird Ökosysteme verändern“

Sven Bergmann, 48, promovierter Kulturwissenschaftler, arbeitet am Deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven.

Interview Lukas Scharfenberger

taz: Herr Bergmann, was ist Mikroplastik?

Sven Bergmann: Mikroplastik ist eine Definition, die erstmals 2004 aufkam. Der Begriff wurde in der Meeresforschung geprägt, da der größte Teil der Plastikteilchen, der im Meer gefunden wird, kleiner als 5 mm ist. Solche Plastikteilchen nennt man Mikroplastik. Ich halte die Definition für wichtig, weil man bis 2004 bei Plastik immer noch an etwas gedacht hat, das groß und sichtbar ist. Mikroplastik bezeichnet aber sehr kleine Teilchen, die oft kaum sichtbar sind. Wir können es mittlerweile überall finden, in Meerestieren, im Nahrungskreislauf und sogar in der Luft. Es wird immer über Verpackungen gesprochen, doch Plastik hat noch viel mehr Eintragsquellen, zum Beispiel den Abrieb von Autoreifen.

… und was ist die „Plastisphäre“?

Die Plastisphäre ist auch ein Begriff. Er wurde erst 2013 von Forschern aus den USA geprägt, die Mikroplastik aus dem Meer unter einem Mikroskop untersucht haben. Überall fanden sie Bakterien, die das Plastik besiedelten. Das bedeutet, dass ein neues Habitat, also ein neuer Lebensraum durch das Plastik entstanden ist.

Was heißt das?

Vortrag und Film: Die Plastisphäre: Mikroplastik in den Meeren und im Alltag, Film: A Plastic Ocean, City46, 19 Uhr

Das bedeutet, dass es eine Interaktion zwischen Lebewesen im Meer und Plastik gibt, die noch viel zu wenig untersucht wird. Was im Meer schlecht für die einen ist – wir kennen alle die Bilder von Meerestieren, die wegen Plastik verendet sind – bietet anderen Lebensformen wie Bakterien einen interessanten Lebensraum. Das wird über Dauer Ökosysteme verändern. Genau wie die Migration von Arten, die womöglich über Plastik weite Strecken über den Ozean zurücklegen und neue Lebensräume finden. Ohne jetzt bewerten zu wollen, ob das gut oder schlecht ist: Für mich ist die interessante Frage, wie neue Lebensräume durch Plastik entstehen und welche Auswirkungen diese haben.

Wozu braucht es denn eine kulturwissenschaftliche Betrachtung der „Plastisphäre“?

Wenn ich mir angucke, was im Meer passiert, das ein Kulturmaterial wie Plastik sich mit dem Meer verbindet und da auch nicht mehr zu entfernen ist, dann muss ich anders als bisher über Natur und Umwelt nachdenken und das ist eine kulturwissenschaftliche Betrachtungsweise. Klassischerweise ist die Natur etwas, was wir außerhalb von uns stellen und was vermeintlich noch rein und unberührt ist. Durch menschliche Einwirkung, spätestens seit der Industrialisierung, ist diese Trennung aber nicht mehr zu halten. Daher müssen wir über das Leben in einer Plastisphäre nachdenken. Wir Menschen sind ja auch von diesem Material umgeben, wir leben also auch in einer Plastisphäre.

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