haushaltsdebatte: Der Krieg ist vorbei
Fürs Erste ist der Krieg vorbei. Das war der gestrigen Kanzlerdebatte zum Haushalt 2002 deutlich anzumerken. Gehört dieser Tag sonst zu den wichtigsten parlamentarischen Terminen des Jahres, sind die Kräfte der Redner in diesem Jahr offenbar bereits verschlissen. SPD und Grüne haben sich zudem auf ihren Parteitagen in Nürnberg und Rostock gegen Zweifel aneinander geimpft. Damit finden auch CDU/CSU und FDP von der Applaus-Couch zu ihren Oppositionsbänken zurück.
Kommentarvon PATRIK SCHWARZ
Im Bundestag erwuchs ihnen gestern allerdings Konkurrenz – denn Gerhard Schröder versuchte sich als Oppositionsführer. Der ist üblicherweise vom Regierungschef leicht zu unterscheiden: Wer die Mehrheit hat, kann was erzählen, und wer in der Minderheit ist, kritisiert. Als Kriegskanzler war Schröder schon daran gewöhnt, in kurzen, klaren Aussagesätzen den Kurs fürs Land darzulegen. Doch als es gestern um die wirtschaftliche Zukunft bis zur Wahl ging, verwandelte er sich in einen Angreifer – der lieber über das Versagen der anderen Seite redet als über die eigene Bilanz. Ein Häuptling Ruhige Hand hätte anders gesprochen. Die selbst erklärte Tugend der Untätigkeit schien dem Kanzler jetzt offenbar nicht mehr ausreichend.
Dabei bot die Union ihm genügend Stoff zur Kritik. Trotzdem ging die Debatte zu ihren Gunsten aus. Nicht weil sie die besseren Rezepte hätte oder überhaupt Rezepte – Edmund Stoiber hat sich gerade erst von seiner Forderung verabschiedet, die Steuerreform vorzuziehen. Doch CDU-Parteichefin Merkel argumentierte so offenherzig, dass Schröder kaum kontern konnte. Die Niederlage der Kohl-Regierung 1998 sei eine Quittung für die hohe Arbeitslosigkeit gewesen, gestand Merkel ein – und 2002 werde diese Rechnung an Schröder gehen.
Die lahmende US-Konjunktur, der 11. September, das Schrumpfen der Baubranche – des Kanzlers kleine Katastrophenkollektion sollte die schlechte Entwicklung beim Wachstum und der Arbeitslosigkeit rechtfertigen. Tatsächlich aber lässt ihn jeder weitere Hinweis auf eine Schuld, die nicht die seine sei, schlechter dastehen. Das alles wirkte kraftlos, passiv.
Wenn den Sozialdemokraten bis zum Wahlkampf nichts Besseres einfällt als ihrem Vorsitzenden gestern im Bundestag, dann sind sie in Schwierigkeiten. Wahlen werden nicht gewonnen, sie werden verloren – das ist jedenfalls die Hoffnung der CDU. Und die ist gestern ein Stück wahrscheinlicher geworden.
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