piwik no script img

gewonnenNur zahlen reicht nicht

Menschen mit Behinderung haben das Recht auf Arbeit. Das beinhaltet auch das „Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird“. So steht es in Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention, die schon 2008 in Kraft getreten ist. Manchmal ist das mit dem Recht haben und Recht bekommen ja aber nicht so einfach, wie ein Beispiel aus Hamburg zeigt.

Da hatte die Deutsche Rentenversicherung schon vor Jahren entschieden, dass Raymond Wittmann aus Hamburg voll erwerbsgemindert ist. Er bekommt eine Erwerbsminderungsrente. Der heute 36-Jährige hat seit seiner Geburt eine geistige Behinderung. Arbeiten möchte er trotzdem, warum auch nicht. Mit dem Status, den ihm die Rentenversicherung verpasst hat, könnte er in einer Behindertenwerkstatt arbeiten – für deutlich weniger als den Mindestlohn, versteht sich.

Wittmann hatte 2016 beantragt, am Arbeitsleben teilhaben zu dürfen, sagt Sozialgerichtssprecher Peter Winter. Wittmann will nämlich eine Ausbildung zum Fachlageristen beginnen, hat auch schon Praktika in dem Bereich gemacht. Die Rentenversicherung lehnte seinen Antrag aber ab. Man sah keine Erfolgschancen, ihn in den Arbeitsmarkt zu integrieren, so Winter. Wittmann sah und sieht das anders und reichte Klage ein – schon 2017.

Am Donnerstag kam es nun endlich zum Prozess und der ging für ihn gut aus. Nachdem Gutachten erstellt und Zeugen angehört wurden, machte das Gericht klar, dass es durchaus der Meinung sei, dass Wittmann ein Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben hat. Und dann plötzlich kam die Rentenversicherung einem entsprechenden Urteil zuvor, kam zu derselben Erkenntnis wie das Gericht.

Anerkenntnis nennt sich das. Heißt: Wittmann bekommt erst einmal weiter seine Rente, wie Gerichtssprecher Winter erklärt. Die Rentenversicherung muss nun aber prüfen, welche Fähigkeiten er hat. Und dann müssen sie Maßnahmen ergreifen, um Wittmann so zu fördern, dass er am Arbeitsleben teilhaben kann. Coaching, Training. So etwas. So kann er nach Jahren des Wartens vielleicht irgendwann sogar seine gewünschte Ausbildung beginnen.

Marthe Ruddat

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen