gedöns aus berlin: Dosenpfand für Hausfrauen
Kurz nach seiner Wahl hat Gerhard Schröder Frauenpolitik als „Gedöns“ bezeichnet. Nun bekommen wir vom Kanzler für Männerfragen statt des lang erwarteten Gesetzes zur Frauenförderung eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft. Selbstverpflichtung? Selbst das Wort ging einigen Wirtschaftsführern zu weit – von mehr als „Empfehlung“ wollten sie nicht sprechen.
Kommentarvon UTE SCHEUB
Was davon zu halten ist? Nichts. Die Unternehmen haben schon in anderen Bereichen vorgemacht, dass sie unter Selbstverpflichtung kaum mehr verstehen, als Worte zu drechseln und Zeit zu gewinnen. Die Debatten um die Altautoverordnung oder die Aufregung um das Dosenpfand wären der Republik erspart geblieben, wenn die Wirtschaft ihrer Selbstverpflichtung nachgekommen wäre, Schrottkarren zu entsorgen oder Verpackungsmüll zu vermeiden. Genau dasselbe wird nun auch mit der Frauenförderung passieren. Zwei Jahre lang wird überhaupt nichts geschehen. Dann wird eine Prüfungskommission berichten, was wir jetzt schon wissen: Das Arbeitsleben in Deutschland ist frauen- und familienfeindlich. Dann, und erst dann, wird erneut nachgedacht werden, ob gesetzliche Festlegungen nicht doch besser wären.
Lachhaft wird das Projekt, weil es sich vor der Kulisse der heiligen deutschen Familie abspielt: Gnadenlos werden Union, SPD und Grüne im kommenden Wahlkampf darum konkurrieren, wer die kinder- und familienfreundlichste aller Parteien sei. Wer jedoch Kinder und Beruf unter einen Hut bringen muss, weiß ganz genau, dass es nicht auf 30 Mark Kindergeld für einen zusätzlichen Beutel Windeln ankommt, sondern auf Teilzeitarbeitsplätze, Betriebskindergärten und all die anderen Maßnahmen mit den langen Namen, die das Gesetz ursprünglich vorsah. Das weiß auch Frauenministerin Christine Bergmann, die dennoch klein beigab, das wissen auch die grünen und vor allem die sozialdemokratischen Parlamentarierinnen, die vor dem Kanzler kuschten.
Die deutschen Wirtschaftsführer und mit ihnen Gedöns-Gerhard sind altmodisch, weit hinter ihrer Zeit zurück. Auf der einen Seite sucht die Wirtschaft händeringend nach Fachkräften, auf der anderen Seite verzichtet sie auf ebendiese Fachkräfte, wenn sie weiblich sind – eine Verschleuderung von immateriellen Ressourcen in einem rational nicht zu erklärenden Ausmaß. Aber vielleicht will die rot-grüne Koalition ja in zwei Jahren mit einem Zwangspfand auf jede Hausfrau aufwarten.
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