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die wahrheitTorheiten und Tizian

"Wiki" bedeutet schnell auf Hawaiisch - aber nicht zuverlässig. Dass das Onlinelexikon Wikipedia nicht als verlässliche Informationsquelle taugt, müsste eigentlich bekannt sein...

"Wiki" bedeutet schnell auf Hawaiisch - aber nicht zuverlässig. Dass das Onlinelexikon Wikipedia nicht als verlässliche Informationsquelle taugt, müsste eigentlich bekannt sein. Aber sie erleichtert faulen Journalisten die Recherche, und so spendierte ein Fälscher dem neuen Wirtschaftsminister von und zu Guttenberg zu seinen zehn Vornamen noch einen elften. Das war einer der harmloseren Fälle von Internet-Vandalismus, zumal der falsche "Wilhelm" nicht schlimmer ist als die echten "Sylvester" und "Maria".

Nicht nur die taz, selbst die Süddeutsche Zeitung ist darauf hereingefallen, obwohl das Blatt doch 2006 selbst Fälschungen bei Wikipedia untergebracht hat, um zu zeigen, wie dubios das Lexikon ist, bei dem jeder mitschreiben kann. Walt Disneys Hund Pluto sei das Maskottchen der Interessengruppe, die dem Himmelskörper wieder zum Rang eines Planeten verhelfen wolle, der ihm 2006 aberkannt wurde, fabulierte die Zeitung. Ein anderer Fälschungsversuch des Blattes flog allerdings schon nach 36 Minuten auf: "21. Juli 1969. Neil Armstrong betritt um 3 Uhr 56 als erster Mensch den Mond. Er fühlt sich schnell alleine, und da es nicht mal was zu trinken gibt, geht er bald wieder." Bekannt ist, dass Konzerne wie Chevron-Texaco und Microsoft wenig schmeichelhafte Beiträge aufhübschen oder streichen. Selbst die israelische Regierung, der Vatikan und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International beteiligten sich am Manipulationsspiel und stellten Propagandapamphlete ins Lexikon. Freilich sind auch die renommierten Lexika nicht fehlerfrei. Das britische Wissenschaftsjournal Nature hat Artikel aus Wikipedia und aus der Encyclopaedia Britannica verglichen. Die Experten fanden bei Wikipedia im Durchschnitt vier Fehler pro Artikel, bei der Encyclopaedia Britannica drei. Aber wenigstens kann in Letzterer nicht jeder Tory nach Herzenslust herumpfuschen.

Die britischen Konservativen haben sich nämlich vorige Woche eine grandiose Torheit geleistet. Premierminister Gordon Brown hatte sich mit dem Renaissancemaler Tizian verglichen, der im Alter immer besser geworden und mit 90 Jahren gestorben sei. Statt den anmaßenden Vergleich des drögen Schotten mit dem genialen Venezianer zu geißeln, besserwisserte Tory-Chef David Cameron bei der parlamentarischen Fragestunde am Mittwoch: "Tatsache ist, dass Tizian mit 86 gestorben ist." Das ist eben keine Tatsache. Niemand weiß, wann Tizian geboren ist, es war irgendwann zwischen 1486 und 1490. Fest steht lediglich sein Todestag: Tizian starb am 27. August 1576 an der Pest. Ausgerechnet dieses Datum fälschte einer von Camerons Mitarbeitern und machte bei Wikipedia das Jahr 1572 daraus. Dazu benutzte der Klotzkopf den Rechner in der Geschäftsstelle der Tories, die nach den Wahlen im nächsten Jahr wohl Großbritannien regieren werden.

Einer der Gründer von Wikipedia, Larry Sanger, der sich 2001 von den Lexikonbetreibern trennte, hat inzwischen ein angeblich fehlerbereinigtes Onlinenachschlagewerk mit dem albernen Namen Citizendium ins Netz gestellt. Dort können solche plumpen Fälschungen nicht passieren. Es gibt nämlich keinen Eintrag unter "Tizian".

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