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die wahrheitWie ich das Reisen hatte

Kommentar von Eugen Egner

Beim Zustürzen auf die Sekunde meines Todes finde ich mich plötzlich mit schwerer Reisetasche an einem unbekannten Ort wieder und muss erkennen: "Ich reise!" ...

B eim Zustürzen auf die Sekunde meines Todes finde ich mich plötzlich mit schwerer Reisetasche an einem unbekannten Ort wieder und muss erkennen: "Ich reise!" Vieles fürchte und hasse ich, Reisen, zumal so überraschendes, gehört unbedingt dazu. Dieses momentane Reisen ist über mich gekommen wie ein Verhängnis, das mich mutwillig herumstößt und in einem alten Hotel fern meiner Heimat stranden lässt. Die Dame an der Rezeption fragt mich besorgt: "Kann ich Ihnen helfen?"

"Ich … habe das Reisen", bringe ich gequält hervor. "Gut, dass Sie sofort hergekommen sind", erwidert die Frau, "wir müssen Ihre Krankenakte anlegen." - "Wie kommt das?", frage ich hilflos. "Dieses Reisen?"

Die Antwort der Hotelangestellten verrät Sachkenntnis: "Reisen kann durch Neugier und anderen Leichtsinn ausgelöst werden. Manchmal sind berufliche Gründe die Ursache. Manche Menschen pflegen einen ungesunden Lebenswandel und fordern damit das Reisen geradezu heraus. Gehören Sie zu diesen?" Protestierend weise ich einen solchen Verdacht von mir. Die nächste Frage wird gestellt: "Gibt es Vorschädigungen? Irgendwelche Ortsveränderungen in der Kindheit?" - "Gott, ja, da gab es das eine oder andere …" Sie sieht mich ernst, aber wohlwollend an und redet mir gut zu: "Beim Reisen ist es wichtig, sich ganz ruhig zu verhalten, den Körper zu versteifen, nichts anzufassen und an zu Hause zu denken. Denken Sie immer nur: ,Es geht vorbei, es geht vorbei.' Die längste Zeit vergeht, wenn man nur lange genug wartet. Haben Sie keine Angst, eine Reisepsychose tritt nicht zwingend auf. Es muss bei Ihnen keineswegs so verlaufen wie zum Beispiel bei Hölderlin. Dann zeige ich Ihnen jetzt Ihr Zimmer."

Sie kommt hinter ihrer Theke hervor, hebt mühelos meine schwere Tasche vom Boden auf, um sie leichtfüßig vor mir her ins nächste Stockwerk zu tragen. Das Zimmer ist, was man gemeinhin "einfach" nennt, die Einrichtung wirkt für ihr Alter gut erhalten. Mit der Auskunft "Der Arzt wird gleich nach Ihnen sehen", stellt die Empfangsdame mein Gepäck ab und verlässt mich. Wenig später klopft es. Der Arzt tritt ein. Er begrüßt mich höflich, stellt sich auch vor, doch ich vergesse seinen Namen sofort. "Was der Welt am meisten nottut", meint er dann, "ist ein starkes Zuhausebleiben der Menschen." Nach einem Blick in meine Krankenakte sagt er: "Für Sie besteht Hoffnung. Ich verordne Ihnen strenge Bettruhe. Die Mahlzeiten werden Ihnen gebracht. Teilen Sie Ihre Wünsche bitte dem Personal mit. Gute Besserung!"

Schon ist er fort. Ich bleibe allein mit meinen Problemen. Das dem Reisen nächstgrößere ist, dass ich mich durch den Vorgang des Schlafens ganz furchtbar zu verändern pflege. Während der ersten Stunden nach dem Aufwachen darf mich niemand sehen. Dieser leidige Umstand verwehrt mir prinzipiell jedes Übernachten in der Fremde. Beim Anlegen der Krankenakte hätte ich darauf hinweisen müssen, spätestens jedoch im Gespräch mit dem Arzt. Ich höre schon die Schreie, wenn mir morgen jemand das Frühstück bringt.

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