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die stimme der kritikBetr.: Deutsches Rind nach Nordkorea

Burger Kim statt Burger King

Wir müssen den Nordkoreanern für ihre großzügige Hilfe wirklich dankbar sein. Erst haben sie uns in der ersten Hälfte der 90er-Jahre kostenlos einen Großteil unseres Plastikmülls abgenommen, weil wir so umweltbewussten Deutschen zwar den Grünen Punkt einführten, aber noch gar keine ausreichenden Recyclingkapazitäten hatten.

Jetzt bieten uns die armen Nordkoreaner wieder ihre Nothilfe an. Sie erklären sich bereit, wenigstens einen Teil unseres Rindfleisches zu essen, an dem uns längst der Appetit vergangen ist und das wir bisher nicht politisch korrekt zu entsorgen wussten. Erst langsam merken unsere Politiker, dass ausgerechnet die Kommunisten von Kim Jong-Il sie aus ihrer leidigen moralischen Notlage befreien könnten. Denn dank der hungernden Nordkoreaner wird aus einer zynischen Aktion zur Bereinigung eines kaputtsubventionierten Marktes plötzlich eine selbstlose humanitäre Aktion, auf die wir noch stolz sein können.

Doch damit niemand merkt, dass das arme Nordkorea dem reichen Deutschland hilft und nicht etwa umgekehrt, stellt unsere Regierung noch schnell Bedingungen. So soll die Verteilung der Hilfe in Nordkorea von unabhängigen Institutionen überprüft werden. So was fordern Hilfsorganisationen schon lange und zu Recht. Doch warum sollte Nordkorea diese Forderung ausgerechnet jetzt erfüllen, wenn es Deutschland bei seinem Rindfleischproblem aus der Patsche hilft?

Jahrelang hat die Regierung in Pjöngjang gezeigt, dass sie eher ihre eigene Bevölkerung verrecken lässt, als ihre Kontrolle auch nur ein bisschen zu lockern. Anzunehmen, dass sich ausgerechnet jetzt diese zynische Politik ändern könnte, ist naiv. Vielmehr müssen die deutschen Politiker hoffen, dass Pjöngjang sie wenigstens das Gesicht wahren lässt. Denn weigerten sich Nordkoreas Stalinisten einfach, auf Berlins Bedingungen einzugehen, hätten die Deutschen wieder ein Rindfleischproblem. So können wir nur hoffen, dass die Nordkoreaner schlau genug sind, um wenigstens zum Schein auf die deutschen Bedingungen einzugehen und etwas Entgegenkommen zu zeigen.

Denn mal ehrlich: Sind wir unser Rindfleischproblem erst mal los, interessiert sich hier doch ohnehin niemand mehr dafür, wenn in Nordkorea ein kommunistischer Kader zwei Steaks isst. Und wenn, bleibt immer noch die Hoffnung auf unentdecktes BSE.

SVEN HANSEN

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