Ein Denkmal der DDR: Wo die feisten Bonzen wohnten
In der Waldsiedlung bei Wandlitz hauste gut abgeschirmt die DDR-Staatsclique um Erich Honecker. Heute leben da ganz normale Leute. Ein Rundgang.
Wo Honeckers wohnten
Hier in diesem glanzlosen Haus ohne jegliche Villen-Anmutung, im heutigen Habichtweg 5, haben also die Honeckers gewohnt, so, so. Spätestens seit den Aufnahmen von Putins Prachtpalast stellt man sich Diktatorenhabitate schon ein wenig glanzvoller vor als dieses schmucklose Wohnhaus. Ob in den Gemächern nicht wenigstens doch ein paar vergoldete Wasserhähne oder ähnlich dekadenter Prunk aufzufinden wäre, wie von vielen DDR-Bürgern einst spekuliert wurde, lässt sich empirisch nicht herausfinden.
Das Haus der Honeckers, genau wie all die anderen auf dem einst von einer Schutzmauer umgebenen Gelände, wird heute von irgendwelchen Familien bewohnt, die keine Haustouren anbieten. Lediglich ein paar Informationstafeln hier und dort klären sachlich und nüchtern darüber auf, wer früher wo hauste.
Die Besonderheit Die DDR hatte sich eingemauert, damit niemand das Land verlassen kann, was den Leuten jedoch als Schutz nach außen verkauft wurde. Wer hierher fährt, wird noch besser verstehen, warum die DDR scheitern musste.
Das Zielpublikum Explizit keine Erich-Honecker-Fans und sonstige Ostalgiker, die Kränze für ehemalige Mitglieder des DDR-Politbüros ablegen möchten.
Hindernisse auf dem Weg Die Idee hinter dem Umzug des Politbüros in die Waldsiedlung war, an einem Ort hausen zu können, der kaum bekannt und unscheinbar war. Das verschlafen Geheimnisvolle hat sich ein Stück weit bis heute erhalten, wenn man bedenkt, dass die Waldsiedlung umgangssprachlich oft Wandlitz genannt wird, weil sie sich in unmittelbarer Nähe zu dem Ort befindet – aber verwirrenderweise eigentlich zur Stadt Bernau gehört.
Wie sich das Wohnen hier zu DDR-Zeiten angefühlt haben muss, ist immerhin inzwischen relativ gut erforscht. Das Politbüro verkroch sich damals in die Waldsiedlung, weil man hier abgeschirmter und unbeobachteter unter sich sein konnte als in der großen Stadt. Musste ja niemand so genau mitkriegen, dass man es sich in idyllischer Umgebung durchaus richtig gut gehen ließ. Bananen gab es jedenfalls. Und auch sonst alles, wovon die übrige DDR-Bevölkerung nur träumen konnte. Der wurden die ersehnten Westprodukte vorenthalten, im „Ladenkombinat“ der Waldsiedlung waren sie für die Parteibonzen problemlos und zu Spottpreisen erhältlich. Das Gebäude, in dem dieser Luxuseinkaufsladen untergebracht war, existiert heute nicht mehr, nur eine dieser Infotafeln zeigt an, wo es einst gestanden hat.
Mit Swimmingpool und Diener
Es mag elitär und abgehoben zugegangen sein in dieser Enklave des DDR-Machtapparats. Ein Swimmingpool und persönliche Diener standen den SED-Bonzen zur Verfügung. Aber dass es damals diese privilegierten Zustände gegeben hat, kann eigentlich nur jemanden verwundern, der wirklich glaubte, in der DDR seien alle Menschen gemäß der sozialistischen Agenda irgendwie gleich.
So richtig hoch her soll es in dem damaligen Nobelviertel dennoch nicht gegangen sein. Ehemalige Bewohner:innen berichteten nach dem Fall der Mauer weniger von ausschweifenden Champagnerpartys im Klubhaus, sondern davon, dass alle möglichst schauten, wie sie am besten den Nachbarn aus dem Weg gehen konnten – sie misstrauten einander. Schließlich konnte es immer passieren, dass man etwas sagte, was bei den anderen vom Politbüro nicht so gut ankam. Und Erich Mielke, der Chef der Stasi, wohnte ja auch hier – was die Nerven bestimmt nicht beruhigte. Wer aber einmal raus aus dem Elitezirkel war, musste seinen Wohnort in der Waldsiedlung verlassen.
Kein Pilgerort für Ostalgiker
Dass sich vor Ort heute weder der eher bescheidene Glamour noch die paranoide Stimmung von einst wirklich nachempfinden lassen, liegt daran, dass nach der Wende einiges dafür getan wurde, aus der Waldsiedlung keinen Pilgerort für Ostalgiker werden zu lassen. Etwa durch den Bau der Brandenburg Klinik Bernau mitten auf dem Gelände, der dem Eindruck eines DDR-Freiluftmuseums entgegenwirkt.
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Eine Maßnahme, die heute angebrachter denn je scheint. Figuren wie Egon Krenz, der ein paar Wochen lang Honecker als Staatschef beerbt hatte, bevor die DDR endgültig unterging, würden es sicherlich reizvoll finden, mal an diesem historischen Ort Hof zu halten. So aber bleibt einem wie Krenz nur, wie eben geschehen, seine Memoiren in irgendeinem Berliner Kino zu präsentieren und dort darüber zu fabulieren, wie schön es doch eigentlich war in der DDR.
Noch nicht einmal ernst zu nehmende Führungen gibt es hier. Bei einem Anruf bei der Tourist-Information Bernau, zu dessen Stadtgebiet die Waldsiedlung gehört, heißt es: Nur einmal im Jahr, am Tag des Denkmals, gäbe es eine, die man auch wirklich empfehlen könne.
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