die ortsbegehung: Endlich Denkmal
Das Zeiss-Großplanetarium steht seit Januar unter Denkmalschutz. Die Kuppelhöhe folgte politischen Vorgaben im Kalten Krieg, unten drunter verbarg sich modernste Technik
Aus Berlin Andreas Hergeth
Was für eine imposante Erscheinung! Die weithin sichtbare Kuppel des Zeiss-Großplanetariums, 1987 zu DDR-Zeiten eröffnet, prägt mit 30 Metern Außendurchmesser das Stadtbild. Der Innendurchmesser beträgt 23 Meter. „Die Kuppel sollte größer sein als die des Planetariums in Westberlin“, erzählt Tim Florian Horn, Vorstand der Stiftung Planetarium Berlin, bei einer Hausführung für die taz, „aber kleiner als Moskau, denn da sind es 23,5 Meter – das war damals die Vorgabe.“
Das Foyer ist großräumig und repräsentativ, es wirkt hell und freundlich. Dort ist neben alten Zeichnungen und Dokumenten, Postkarten und Postern auch eine Konzeptstudie von 1978 ausgestellt. Da waren auf dem ehemaligen Gaswerksgelände, auf dem sich das Zeiss-Großplanetarium befindet, noch keine Hochhäuser vorgesehen, die heute das wenig später erbaute Wohngebiet Ernst-Thälmann-Park prägen.
Das Herzstück des Hauses
Hier unten, unweit einer kleinen Bar, steht ein blaues Monstrum, das wie ein Insekt oder ein außer Dienst gestellter Satellit aussieht. Tatsächlich handelt es sich um den hantelförmigen Sternprojektor Cosmorama, der hier seit 1987 für den Sternenhimmel sorgte. Hergestellt 1984–87 im VEB Carl Zeiss Jena, war das Gerät bis zur Modernisierung 2014–16 das Herzstück des Hauses. Der Projektor konnte den Sternenhimmel naturgetreu darstellen. Cosmorama zählte zu den ersten computergesteuerten Projektoren. „Der hat mehreren Millionen Menschen die Sterne gezeigt“, formuliert es Horn so schön. Das gute Stück funktioniert übrigens wieder und wird ab und an vorgeführt – so lange wie der Glühbirnenvorrat noch reicht.
Nur ein paar Stufen tiefer liegt das 3D-Kino. Mit der Sanierung wurde versucht, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, bis hin zur Wandfarbe in einem nicht näher bestimmbaren Braunton. Es gibt 160 Plätze. Es gab tschechische Kinoprojektoren und Dolmetscherkabinen, die heute niemand mehr braucht, vielleicht waren die auch für die Stasi da – man weiß es nicht genau. Die Technik wurde modernisiert.
Ein Fahrstuhl für den Sternprojektor
Am auffälligsten im ganzen Haus: Im Zentrum ist ein runder Kern zu sehen, dahinter verbirgt sich ein riesiger Fahrstuhl. Der ist nicht fürs Publikum, sondern für den Sternprojektor, erklärt Horn, „der auf dem Stempel stehend den ganzen Weg aus dem Planetariumssaal in den Keller gefahren werden kann, zur Wartung oder Reparatur, rund 30 Meter“. Oben kann der Boden verschlossen werden, zum Beispiel für Konzerte oder Yoga. Im Zeiss-Großplanetarium gibt es die verschiedensten Veranstaltungen, man probiert viel aus. Derzeit gibt es 30 Programme.
Wir nehmen die Treppe nach oben. Dort liegt wie überall im Haus hellgrauer Marmor mit leichter Maserung. „Angeblich stammt der aus Kuba, doch Unterlagen, die das belegen, haben wir nicht“, erzählt Horn in einem mehrere Meter breiten Gang. Ein runder. Aha, wir stehen zwischen Innen- und Außenhülle der riesigen Kuppel.
Drei Kinosessel in Blau fallen auf, sie sehen alt aus. Horn hat sie aufgehoben und vor sein Büro gestellt, „weil dort zur Eröffnung 1987 auf dem mittleren Sessel Margot und auf dem rechten Sessel Erich Honecker saßen.“ Das soll keine Verklärung sein: „Wir haben sie aufgehoben, weil das Teil der Geschichte des Hauses ist.“ Das Plakat des ersten Programms zur Eröffnung „Fantastisches Weltall“ – „Raumschiff Enterprise“ lässt grüßen – hängt gegenüber. Ja, die Plakatkunst in der DDR hatte durchaus ein hohes Niveau. Das gilt für das gesamte Großplanetarium, sagt Horn. „Das Haus ist mit Liebe gebaut worden, das merkt man.“
Schließlich sind wir noch eine Treppe, eine Etage höher und stehen vor dem Planetariumssaal, aber immer noch hinter den Kulissen. Hier steht die Technik, die drinnen das Publikum staunen lässt. Früher sorgten dafür 120 Diaprojektoren – ratter, ratter, ratter –, aber das ist lange her. Heute wird mit modernster Technik gearbeitet. Wo früher ein ganzer Raum mit Robotron-Computern – made in GDR – gebraucht wurde, um den Sternprojektor zu betreiben, reicht heute ein kleiner Server.
Mit modernster Technik
Die Besonderheit
In Berlin gibt es mehrere Planetarien: Die Archenhold-Sternwarte im Treptower Park und die Wilhelm-Foerster-Sternwarte auf dem Insulaner, einem Trümmerberg in Schöneberg – beide zählen zu den traditionsreichsten Volkssternwarten Deutschlands, während das Planetarium am Insulaner und das Zeiss-Großplanetarium als moderne Wissenschaftstheater innovative Vermittlungsformen anbieten. Sie sind unter dem Dach der Stiftung Planetarium Berlin von 2016 vereint.
Das Zielpublikum
Zur Hälfte kommen Schüler:innen und Kita-Gruppen, die andere Hälfte „kommt freiwillig“, sagt Tim Florian Horn, Vorstand der Stiftung. „Die Altersspanne reicht von 2 bis 102 Jahre.“
Hindernisse auf dem Weg
Wenn der ÖPNV gerade nicht bestreikt wird, eigentlich keine. Montags ist Ruhetag.
Auch drinnen im Planetariumssaal wurde mit der Sanierung vor ein paar Jahren alles erneuert: die Projektionskuppel, die Bestuhlung, 50 Lautsprecher, die Akustikdämmung. Nur das Geländer um den Projektor herum ist ein echtes DDR-Original. Und der moderne Projektor, der mit Sanierung einzog, sieht deutlich kleiner als das Vorgängermodell aus und arbeitet mit modernster Glasfaser- und LED-Technologie. Aber schön, dass damals die Ausschreibung von Carl Zeiss Jena gewonnen wurde.
Das Zeiss-Großplanetarium ist ein magischer Ort. Er zieht viel Publikum an. Letzten Sonntag waren zu zehn verschiedenen Veranstaltungen rund 2.500 Menschen gekommen. Das Haus war „als ein besonderer Ort geplant, in dem man im Geist ins Universum reisen kann“, sagt Horn. Und es sollte immer ein Haus sein, das einlädt, Wissenschaft, Kunst und Kultur gleichermaßen zu erleben. Das war zu DDR-Zeiten so und ist es auch noch.
Dass das Zeiss-Großplanetarium nun auf die Berliner Denkmalliste aufgenommen wurde, war längst überfällig. Horn ist glücklich, dass es nun passiert ist, das bedeutet „eine Wertschätzung des Hauses“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen