piwik no script img
taz logo

die nachrichtGeneralstabschef von Äthiopien erschossen

Regierung spricht von Putschversuch nach Wirren in der Amhara-Region und Schüssenin der Hauptstadt Addis Abeba. Der junge Reformpremier Abiy Ahmed gerät in Bedrängnis

Das Neue

Bei einem mutmaßlichen Putschversuch in Äthiopien sind am Samstag der Generalstabschef der äthiopischen Armee und der Präsident der Region Amhara getötet worden. Nach Regierungsangaben vom Sonntag wurde ein Teil der Putschisten festgenommen, während andere weiter gesucht werden.

Es begann in Bahir Dar, Hauptstadt der autonomen Region Amhara im Zentrum, wo Regionalpräsident Ambachew Mekonnen und ein Berater erschossen wurden. Kurz darauf wurde in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba General­stabschef General Seare Mekonne in seinem Haus von einem Leibwächter ermordet. In beide Städten waren eine ganze Weile Schüsse zu hören.

Der Kontext

Äthiopien hat sich seit dem Amtsantritt des reformorientierten Premierministers Abiy Ahmed von der größten, aber historisch marginalisierten Volksgruppe der Oromo im April 2018 drastisch verändert. Es herrscht Pressefreiheit, und die Menschen können ungehindert ihre Meinung äußern. Abiy hat Führer der politischen und bewaffneten Opposition, die im Ausland lebten, nach Hause zurückgeholt. Er schloss auch Frieden mit dem Rivalen und Nachbarland Eritrea. Aber mit den größeren Freiheiten traten auch die schwelenden ethnischen Spannungen stärker auf als früher.

Das 100-Millionen-Einwohner-Land Äthiopien besteht aus neun autonomen Regionen, die größtenteils ethnisch geprägt sind. Die Amhara, zweitgrößte Bevölkerungsgruppe, beklagen, dass sie nicht nur unter dem vorherigen Regime, sondern auch unter Abiy marginalisiert werden. Ethnische Spannungen haben in den letzten Monaten zugenommen. Rund drei Millionen Menschen sind vertrieben worden. Die Streitkräfte sind keine Einheit, auf die sich Abiy, selbst aus der Armee, voll und ganz verlassen kann. Schon vor dem gescheiterten Staatsstreich war die Atmosphäre im Land zunehmend angespannt.

Die Reaktionen

Nach dem gescheiterten Putsch hielt Abiy am Samstagabend eine Ansprache im Fernsehen – gekleidet in Militäruniform. Nach Angaben der Regierung war die Absicht der Putschtruppen gewesen, Uneinigkeit innerhalb der Streitkräfte zu säen und in der Folge die Macht zu ergreifen. Der führende Kopf dahinter sei General Asaminew Tsige gewesen, der Verantwortliche für Sicherheit in Amhara.

Asaminew Tsige war unter der Vorgängerregierung im Gefängnis gelandet und wurde vergangenes Jahr freigelassen, nachdem Abiy Premierminister geworden war. Seine Ernennung zum Sicherheitschef in Amhara war Teil des Versuchs von Abiy, eine nationale Aussöhnung herbeizuführen.

Die Konsequenz

In Äthiopien sind für das kommende Jahr freie Wahlen geplant, die unter den gegenwärtigen Umständen jedoch immer weniger durchführbar erscheinen. Offen ist derzeit, ob Abiy die Demokratisierung Äthiopiens fortsetzen oder die Freiheiten einschränken wird, um die Kontrolle zu behalten.

Ilona Eveleens, Nairobi

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz zahl ich illustration
taz zahl ich

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – ohne Paywall. Das geht nur, weil sich viele Leser:innen freiwillig an der Finanzierung beteiligen und unseren kritischen Journalismus unterstützen. Sind Sie schon dabei? Unterstützen Sie jetzt die taz.