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Deutsche EntwicklungszusammenarbeitEs braucht ein neues Konzept

Gastkommentar von Tilman Altenburg und Clara Brandi

Zunehmend richten Staaten ihre Auslandshilfen an nationalen Interessen aus. Deutschland sollte stattdessen auf eine stabile Weltwirtschaft setzen.

Bau einer Bahnstrecke in Kenia durch eine chinesische Firma: Wirtschaftliche Interessen haben Vorrang vor Entwicklungshilfe Foto: Noor Khami/reuters

D ie Forderungen nehmen zu, die deutsche Entwicklungszusammenarbeit als Bestandteil „einer vor allem von unseren Interessen geleiteten Außen- und Wirtschaftspolitik“ zu konzipieren, so hat es der Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz neulich gesagt. Wirtschaftsverbände wollen die Entwicklungszusammenarbeit an Lieferungen aus Deutschland binden und verweisen auf China und Frankreich, deren Entwicklungszusammenarbeit zu höheren Anteilen in die eigene Wirtschaft zurückfließt.

Tilman Altenburg und Clara Brandi

forschen am Thinktank German Institute of Development and Sustainability (IDOS) zu Fragen globaler nachhaltiger Entwicklung.

Nicht zuletzt US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, die wenige verbleibende Auslandshilfe ganz auf US-Interessen auszurichten. Eine rein an nationalen Wirtschaftsinteressen ausgerichtete Entwicklungszusammenarbeit hätte viele Nachteile: Sie ist um 15 bis 30 Prozent teurer, so dass pro Euro weniger entwicklungspolitische Leistungen erbracht werden. Sie konterkariert das Ziel, die lokale Wertschöpfung zu erhöhen.

Deutschland ist als Exportland gut beraten, weiterhin für eine regelbasierte Weltwirtschaft zu kämpfen – dazu gehören Selbstverpflichtungen für offene Ausschreibungen. Und schließlich: Lieferbindung würde deutschen Unternehmen wenig nützen, weil es in den meisten KfW-geförderten Infrastrukturbereichen wie etwa Straßenbau hierzulande keine wettbewerbsfähigen Anbieter gibt. Allerdings muss sich Entwicklungszusammenarbeit neu legitimieren, wenn sie Bestand haben will.

Sie kann ihr Angebot stärker auf Themen ausrichten, die im deutschen Interesse sind und dem globalen Gemeinwohl verpflichtet bleiben: der klimafreundliche Umbau von Megastädten mit Hilfe deutscher Stadtplanungs- und Architekturbüros, flankiert von Hochschulpartnerschaften; mit deutschen Unternehmen emissionsfreie Lieferketten etablieren; für langfristige Rohstoffverträge Technologietransfer anbieten; die Anwerbung von Fachkräften mit Berufsbildungsprogrammen flankieren, die das Fachkräfteangebot vor Ort erhöhen. Auf diese Weise entstehen Wirtschaftsverflechtungen im gegenseitigen Nutzen – und das ganz ohne Lieferbindung.

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6 Kommentare

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  • Zwei VertreterInnen des staatlichen Thinktanks für deutsche Entwicklungspolitik sprechen sich für eine „Reform“ der deutschen Entwicklungshilfe aus, die dem seit 1949 regierenden national-liberalen Mainstream aus der Seele spricht. Es soll endlich Schluss sein mit philanthropischen Zielen von globaler Gerechtigkeit, Armutsbekämpfung, Autonomieförderung, globalem Umweltschutz usw. Dabei waren das schon immer nur Deckmäntelchen für national Eigeninteressen und eine Entwicklungshilfeindustrie, die sich darunter ihren Anteil sichern konnte. Sie wollen mehr als z. B. nur einen Abd al-Fattah as-Sisi unterstützen, mehr als nur deutsche Tiefkühlpizza für Kenya subventionieren, mehr als Zugriff auf seltene Erden aus Zentralafrika?

    Walter Scheel, erster Minister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, hat die afrikanischen Staaten schon zur Selbsthilfe durch Hilfe angemahnt, da war die Mehrzahl der afrikanischen Staaten noch Kolonie.

  • Es sind zu viele Gemeinplätze, die hier als Forschungsergebnis Konzept präsentiert werden, wie regelbasierte Weltwirtschaft, was meist beinhaltet, vorhandene Regelwerke bei WHO, WTO, IWF, Weltbank sind ausgesetzt, u. a. IWF Ausgleichsmechanismus über Sonderziehungsrechte auf IWF Fonds, der an 800 Milliarden $ Mittel ungenutzt vorhält, wieder aktivieren zu können, wenn es zwischen Welthandelspartner zu Ungleichgewichten bei Handelsbilanzen kommt, WTO Schiedsgerichtswesen ist seit Jahren ausgebremst, weil vakante Richterstelle nicht neu besetzt wird. Welches Handelsland bitte, verfolgt Ziel in Partnerland lokale Wertschöpfung zu erhöhen, Ziel konterkarieren zu können, so ein Land in unserem asymmetrisch aufgestellten Weltwährungssystem gibt es nicht, kann es nicht geben, solange Zentralbanken mit ihrer Zinspolitik Weltmarkt bestimmender Länder Säulen deren subventionierter Exportwirtschaften sind, Zuwachs an Marktanteile zu generieren, lokale Märkte durch im Preis herunter subventionierte Produkte zu zerstören, was sollen da Selbstverpflichtungen bringen, wenn weder Sanktionsmechanismus bei Verstößen greift, Klagerech fehlt, mangels Unternehmensstrafrecht sowohl dort wie Deutschland

  • Stabiler Welthandel ist eine Ausrichtung an deutschen nationalen Interessen!!

    macht mal eine google image suche für: map of largest trading partners of EU countries



    Geliefert wird eine Karte der EU auf der jedes Land mit der Flagge des größten Handelspartners gefärbt ist.

    Es war nie Deutschlands Ziel die EU faktisch zu übernehmen durch stabile Handelsbedingungen. Das scheint aber passiert zu sein.



    Die Bundeswehr glänzt auf der Welt durch Abwesenheit. Und doch lässt sich höchstens im Pazifik 30 Meridiane überqueren ohne auf deutsche Waffen zu stoßen. Gleichzeitig kommt aus den turbo-kapitalistischen USA alljährlich Kritik, dass D Kapitalismus zu viel und zu gut macht.



    Alle paar Jahre gibts dann ne ((Wirtschafts-, Demokratie-, Geopolitik-) Krise. Irgend ein Populist/Autograt stellt dann fest dass er nimmer autograten kann, weil alles D/EU gehört. Kashinsky, Varoufakis, Johnson, Orban, Trump, Duerte, Bollosaro, Putin, kamen alle und haben sich verschätz.

    Wären D als Bart Simpson mit hinterlistigem "it wasnt me" Wirtschaftsimperialismus durch die Welt hüpft.

  • Klingt gut, noch besser wäre es, wenn kooperative Ökonomie mit Bezug zu den 17 UN SDGs eine gemeinsame Entwicklung formulierbarer machen täten. Kreislaufwirtschaften will zusammen erlenrt werden. Gibt es z.B. In Afrikas Großstädten derzeit mehr Fachleute für das Elektronische Hardware recyclen, als wir in unseren Repair Cafes haben: win-win der Zukunft. Wir brauchen auch Migration und die Gelder, die jetzt für Frontex Abschottung gehen, wären besser in Willkommenszentren innerhalb der EU gesteckt, wo auch gefiltert werden könnte, dass weniger Schläfer, dafür mehr motivierte Leute die Sicherheits Fragen menschenrechtlich regulieren, statt repressiv-kriegerisch. Auch wäre es wichtig, weg zu kommen von Lithium Extraktivismus z.B. durch Natrium Speicher Technologie, die dann auch zusammen weiter verbreitet werden könnte: kooperativ! Menschenrechtliche Zukunfts und Entwicklungsvisionen sind nötiger denn jeh!

  • Deutschland wäre eher gut beraten seine Ausrichtung weg von massivem Export zu lenken. Ein Blick aufs internationale Parkett macht klar, dass die Zeit der Globalisierung und des uneingeschränkten Freihandels vorbei ist. Die EU ist groß genug als Markt.

    Auch Hilfen in armeren

    • @Okti:

      *Auch sollten Hilfen in ärmere Länder europäisch gedacht werden. Es ist zwar verständlich, dass hier Interessen auch eine Rolle spielen, aber die ehemaligen europäischen Kolonialherren haben auch eine Bringschuld gegenüber den afrikanischen Staaten.