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das wird„Das Klimaproblem kann eben nur global gelöst werden“

Der Internationale Seegerichtshof in Hamburg kann eine entscheidende Rolle beim Klimaschutz spielen. Welche, erklärt Linn Graßmay von der Böll-Stiftung

Interview Lilith Parwanow

taz: Frau Graßmay, was ist der Internationale Seegerichtshof, kurz ISGH?

Linn Graßmay: Der ISGH ist eine der wenigen großen und bedeutenden UN-Institutionen in Deutschland und hat seinen Sitz schon seit 1996 in Hamburg. Er überwacht die Einhaltung des internationalen Seerecht-Übereinkommens. Das heißt, dass der ISGH zuständig ist für alle Streitigkeiten zwischen Vertragsstaaten über Themen des Seerechtsübereinkommens, also zum Beispiel über die Fischerei oder über den Schutz der Meeresumwelt.

taz: Und warum organisiert ausgerechnet die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung eine Führung durch den ISGH?

Graßmay: Der Aufhänger für die Veranstaltung ist ein Klimagutachten des ISGH aus dem Sommer 2024.

taz: Was hat es mit diesem Gutachten auf sich?

Graßmay: Eine Gruppe von kleinen Inselstaaten, zu denen Tuvalu, Vanuatu und die Bahamas gehören, hatte die Erstellung eines Gutachtens durch den ISGH beantragt, da sie sich vom Klimawandel und den infolge dessen steigenden Meeresspiegel besonders bedroht fühlen. Der ISGH hat ein Gutachten erstellt und alle Vertragsstaaten unter anderem dazu aufgefordert, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, da diese als Meeresverschmutzung im Sinne des Seerechtsübereinkommens anzusehen sind. Das ist natürlich auch Teil des Themenkomplexes Klimaschutz und Klimakrise und damit ein Kernthema der Grünen.

taz: Klagen sind also ein funktionsfähiges Mittel zum Klimaschutz?

Graßmay: Genau! Aber an sich handelt es sich in diesem Fall gar nicht um eine Klage, sondern um ein Gutachten, also die rechtliche Bewertung einer abstrakten Rechtsfrage durch den ISGH.

taz: Werden Lösungen vor Gerichten auch in Zukunft wirksam sein?

Führung durch den Internationalen Seegerichtshof, 28. 2., Treffen um 14.45 Uhr, Am Internationalen Seegerichtshof 1, Hamburg, Anmeldung erforderlich: lg@boell-hamburg.de

Graßmay: Definitiv. Ich würde sogar sagen, dass das Thema erst jetzt so richtig Fahrt aufnimmt und sich da noch viele neue Möglichkeiten für die Zukunft ergeben werden.

taz: Was bieten solche Anträge denn für Möglichkeiten, vielleicht gerade für so stark betroffene Staaten wie diese Inselstaaten?

Graßmay: Diese Anträge können dazu führen, dass Verpflichtungen entstehen und Druck auf Staaten und Regierungen ausgeübt wird, schneller wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Speziell bei diesem Gutachten des ISGH wird das gut deutlich: Es ist nicht bindend, hat aber eine erhebliche Symbolwirkung.

taz: Das Gutachten ist nicht rechtsbindend?

Graßmay: Nein, es hat keine unmittelbare Bindungswirkung. Neben der Symbolwirkung könnten sich zukünftige Klä­ge­r:in­nen aber darauf berufen. Wir werden in unserer Diskussion nach der Führung durch den ISGH auf jeden Fall noch näher darauf eingehen, inwiefern eine Wirkung von diesem Gutachten ausgeht.

taz: Jetzt haben die Inselstaaten hier in Hamburg geklagt. Wie wichtig ist es, dass Klimaschutz global behandelt wird?

Graßmay: Das ist wirklich sehr wichtig. Natürlich ist es auch gut, dass jeder und jede einzelne etwas tut, aber gelöst werden kann das Problem eben nur global und zusammen.

Foto: Böll-Stiftung

Linn GraßmayJahrgang 2001, studiert Jura an der Uni Hamburg und macht seit Anfang Januar ein Praktikum bei der Heinrich-Böll-Stiftung.

taz: Hat dieses Gutachten auch konkrete Auswirkungen auf Deutschland?

Graßmay: In dem Gutachten wird festgestellt, dass alle Vertragsstaaten des Seerechtsübereinkommens ernsthafteren Klimaschutz betreiben müssen. Das betrifft natürlich auf jeden Fall auch Deutschland.

taz: Helfen solche Verhandlungen allgemein denn dabei, das Thema Klimaschutz mehr in den Fokus zu rücken?

Graßmay: Ja, definitiv! Und ich hoffe, dass das Thema durch Veranstaltungen wie unsere Führung und die anschließende Diskussion noch viel mehr Sichtbarkeit in der gesamten Gesellschaft bekommt.

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