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das wird„Beide waren Außenseiter“

Wie besessen hat Schriftsteller Thomas Brasch zum Braunschweiger „Mädchenmörder“ Karl Brunke recherchiert. Im Staatstheater kann man virtuell verfolgen, wie er sich im Abgrund verliert

Interview Jens Fischer

taz: Herr Mikeska, ist der Braunschweiger „Mädchenmörder“ Karl Brunke ein Vorkämpfer der Sterbehilfediskussion, weil er zwei junge Frauen auf Verlangen getötet hat?

Bernhard Mikeska: Als Vorkämpfer für Sterbehilfe sehen wir ihn nicht, er ist eher zufällig in diese Geschichte hineingeraten. Uns interessiert die 14.000 Seiten lange literarische Auseinandersetzung von Thomas Brasch mit dem Geschehen.

Warum wollen Sie davon anno 2024 erzählen?

Alle Berichte und Bearbeitungen konzentrieren sich auf den Täter. Über die von ihm erschossenen Martha und Alma Haars erfährt man kaum etwas. Wir geben ihnen die Hoheit über ihre Geschichte zurück. Und es interessiert uns sehr, warum Brasch so viele Jahre damit verbracht hat, wie Brunke zu seinem Geschöpf wird.

Was haben Sie über diese Besessenheit herausgefunden?

Es gibt auf der persönlichen Ebene Ähnlichkeiten, Brunke hat sich als Literat bezeichnet, er schrieb Stücke, schickte sie an Theater, bekam aber nie eine Antwort.

Im Gegensatz zum sehr erfolgreichen Brasch.

Beide waren Außenseiter. Brasch ist nach den Problemen, die er als kritischer DDR-Intellektueller hatte, nach Westberlin übergesiedelt, verlor damit aber seine Heimat. In der alten BRD war er mit dem System nicht einverstanden. Fand daher keinen Ort mehr für sich.

Das sehen Sie auch bei Brunke?

ist künstlerischer Leiter des Theaterkollektivs Raum + Zeit und entwickelt hybride Inszenierungen mit Virtual Reality.

Ja, er konnte sich in der Gesellschaft um 1900 nicht wirklich verorten.

Neben dieser Verlorenheit – was bietet Brunke dem Schriftsteller noch?

Die Einsamkeit, die Brunke umgetrieben hat, mag Brasch ebenfalls fasziniert haben, findet sie sich bei ihm doch auch nach 1990 …

… als sich der gehypte Starautor selbstzerstörerisch zurückzieht, …

… ja, wir erzählen einen Abend über diesen Wendepunkt seines Lebens, wo die DDR aufhörte zu existieren. Da ist Brasch leidvoll etwas abhandengekommen und er schwieg fortan, arbeitete nur noch am Brunke-Stoff. Darüber spiegeln wir seinen Zustand.

Sie übersetzen die beiden realen Geschichten von Brunke und Brasch in den virtuellen Raum?

Es ist es zunächst ein analoger Theaterabend auf der Bühne, aber einzelne Szenen haben wir in 360° gedreht. Um die zu sehen, setzen die Zuschauer eine VR-Brille auf. Es ist ein Hin und Her, was auch die Realitätsebenen verschränkt

Theaterstück „Mädchenmörder :: Brunke“: Premiere am Sa, 27. 1., 19.30 Uhr, Staats­theater Braunschweig/Kleines Haus (ausverkauft); nächste Aufführungen: 28. 1., 1. 2., 4. 2., 8. 2., 15. 2.

Was können sie mit den VR-Szenen erzählen, was als Live-Schauspiel nicht möglich wäre?

Ausgangspunkt ist eine Lesung von Thomas Brasch, aus der gerät man in seine Fiktion der Brunke-Erzählung und damit in die virtuelle Welt – in die der Zuschauer dann eintritt. In den VR-Szenen wird man zu Brunke und begegnet den Mädchen, die er später erschießt.

Die Zuschauer schlüpfen so in Braschs Kopf und Herz und verfolgen empathisch, wie er rein will in diese Abgründe Brunkes und da nicht mehr rauskommt?

Ja, in Zeiten, wo Utopie fehlt, wird auch Realität brüchig. Das ist vielleicht die Parallele. Man verliert sich wie Brasch zwischen den Welten.

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