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das portraitFußball-Influencerin Alisha Lehmann ist unverzichtbar für die Nati

Foto: Credit ist Reuters/Molly Darlington

Selbst wenn sie Fußball spielt, sieht Alisha Lehmann aus, als wäre sie gerade bei einem Fotoshooting. Kein Tropfen Schweiß rinnt über das perfekt geschminkte Gesicht, die gemachten Fingernägel sehen aus wie neu, die Frisur sitzt und das Juventus-Trikot auch. Auf diesem prangt dieselbe Nummer wie bei Cris­tia­no Ronaldo, die 7. Ein Zufall? Was Bekanntheit und Reichweite angeht, ist Lehmann jedenfalls auf dem besten Weg, es dem weltweit followerstärksten Influencer nachzumachen.

Alisha Debora Lehmann ist 26 Jahre alt, kommt aus Tägertschi im Kanton Bern und fing mit sechs Jahren an zu kicken. Sie hat eine gute, aber sportlich nicht außergewöhnliche Kar­rie­re hinter sich. Zuerst die BSC Young Boys, mit 19 Jahren dann West Ham United. Es folgen weitere Stationen in England: FC Everton und Aston Villa. Seit 2024 spielt sie bei Juventus Turin. Ihr Lebensmotto: „Be brave“ – sei mutig. Position auf dem Platz: Sturm. In den sozialen Netzwerken: Influencerin.

Könnte sie dem Frauenfußball die Sichtbarkeit geben, für die dieser schon lange kämpft? 2024 schrieb das NZZ Magazin: „Die EM der Männer beginnt bald. Der wahre Star im Schweizer Fußball aber ist eine Frau.“ Lehmann erreicht weltweit so viele Menschen wie keine andere Fußballerin – zumindest im Netz. Mit fast 17 Millionen Followern bei Instagram – also fast doppelt so viele, wie die Schweiz Einwohner hat – und 12 Millionen bei Tiktok ist sie die meistgefolgte Sportlerin der Schweiz, sogar noch vor Tennisspieler Roger Federer. Im real life sieht es etwas anders aus.

Während sie für Fans „die schönste Fußballspielerin der Welt“ ist, werfen ihr Kritiker vor, den Fußball vor allem als Marketinginstrument zu benutzen. Einige Juventus-Fans schimpften nach der Meisterschaft, Lehmann habe sich bei der Feier in den Vordergrund gedrängt, obwohl sie die Saison über nur als Einwechselspielerin zum Einsatz kam und nur zwei Tore und eine Vorlage erzielte. Ihr Meisterschaftstanz wurde bei Instagram trotzdem fast 430.000-mal geliked. Einer von vielen Posts zwischen Torschüssen, Bikinibildern und Werbung für Adidas, Louis Vuitton oder die eigene Kollektion aus Tassen und Kissen.

Sie sorgt durch ihre Social-Media-Präsenz immer wieder für Klatsch und Tratsch, aber auch für große Reichweite. Zum Beispiel mit ihren kritischen Äußerungen bezüglich des riesigen Gender-Pay-Gap im Profifußball. Und das von einer Spielerin, die zugleich durch ihr Influencerdasein so viel verdient wie kaum eine andere Fußballerin: Eine Anzeige bei Instagram bringt ihr schnell mal das Jahresgehalt einer Topspielerin der englischen Liga ein.

„Ich will unabhängig sein, deswegen nenne ich mich auch Feministin. Mir ist wichtig, mein eigenes Geld zu verdienen und meine eigenen Ziele zu erreichen“, erklärt Lehmann in einem Interview. Man könnte es auch eine Annäherung an ihre männlichen Kollegen und an den durch und durch geldgetriebenen Männerfußball nennen.

Ist das die Sichtbarkeit, die der Frauenfußball braucht? Zur Ernennung des EM-Kaders der Schweizer Nationalmannschaft war die Fußballwelt gespalten. Kurz musste Lehmann, die schon 59 Spiele für die Nationalmannschaft absolviert und acht Tore geschossen hat, um ihren Platz im Kader bangen. Die NZZ fragte: „Kann sich die Schweiz die prominente Absenz leisten?“ Mittlerweile steht fest: Die Schweiz wird nicht auf das „Phänomen“ verzichten. Lehmann darf bei der EM im eigenen Land für die „Nati“ – wie die Schweizerinnen ihre Nationalmannschaft nennen – kicken. Als Außenverteidigerin, wie Nationaltrainerin Pia Sundhage verkündigte. Ruth Lang Fuentes

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