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Feindbild für Trump-AnhängerTiktok-Superstar Khaby Lame muss die USA verlassen

Für rechte US-Influencer ist er ein „linksextremer Tiktoker“: 162 Millionen Menschen folgen dem Italiener Khaby Lame. Die USA musste er nun verlassen.

Khaby Lame Anfang Mai bei der Eröffnung der Ausstellung „Tailoring Black Style“ im Metropolitan Museum von New York Foto: Evan Agostini/ap

Berlin taz | Die US-Einwanderungsbehörde ICE nahm am 6. Juni den berühmten Tiktoker Khaby Lame am Flughafen von Las Vegas fest – trotz gültigem Visum. Der Grund: Sein ESTA, die elektronische Einreisegenehmigung, war abgelaufen. Ein bürokratischer Fehler, der Tausenden Tou­ris­t:in­nen jedes Jahr passiert. Für Lame hatte er drastische Folgen: eine Festnahme, Ausweisung und öffentliche Anfeindungen rechter Influencer.

Mit wenigen Mitteln hat Khaby Lame eine Weltkarriere gemacht: Ein Hochziehen der Augenbraue, ein verwirrter Blick in die Kamera, ein Zeigen mit dem Finger. Seringe Khabane Lame, genannt Khaby, wurde während der Coronapandemie mit simplen Videos berühmt. Darin reagiert er auf unnötig komplizierte Life-Hacks – also Tipps und Tricks für den Alltag, die das Leben eigentlich vereinfachen sollen, aber in diesen Fällen mehr Chaos als Hilfe stiften. Statt sie zu kommentieren, zeigt er mit seiner starken Gestik und Mimik, wie absurd diese Hacks sind. In einer Welt, die ständig nach Optimierung strebt, zeigt er, wie es leichter geht. Und das begeistert Millionen Menschen auf der ganzen Welt.

Geboren im Senegal, aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen in Italien, ist Lame heute der reichweitenstärkste Tiktoker der Welt. Über 162 Millionen Menschen folgen ihm auf der Plattform, weitere 80 Millionen auf Instagram. Und das alles, ohne ein einziges Wort sagen zu müssen. Zudem ist er Goodwill-Botschafter von Unicef bei der er sich für Kinderrechte engagiert. Lame ist seit 2022 italienischer Staatsbürger.

Doch seit seiner Ausweisung aus den USA steht er in den Schlagzeilen. Eigentlich war dies eine rein formale Angelegenheit. Lame durfte noch am selben Tag freiwillig ausreisen und flog nach Kanada.

Rechte Hetze ohne jede Logik

Online wurde er daraufhin allerdings vom rechten Influencer Bo Loudon als „linksextremer Tiktoker“ und „illegaler Ausländer“ bezeichnet. Er selbst habe Lame bei den Behörden gemeldet, behauptet er. Niemand stehe über dem Gesetz, die USA sei eine Nation der Gesetze.

Loudon ist mit Donald Trumps Sohn Barron befreundet und unterstützt Trumps Politik besonders auf Social Media. Lames Festnahme vereinnahmte Loudon für Trumps aggressive Antimigrationspolitik. Dass Lame besonders Aufmerksamkeit bekommt, dürfte nicht nur an seiner weltweiten Bekanntheit liegen, sondern auch daran, dass er Schwarz ist. Loudons Vorwürfe entbehren jeder Logik, denn Lame reiste als Tourist ein. Dass rechte Hetze nicht differenziert, ist aber bekanntlich nichts Neues. Der Vorwurf, Lame sei linksextrem, dient ebenfalls allein dazu, Feindbilder zu schüren.

Es ist nicht die erste symbolpolitische Inszenierung, mit der die aggressive Antimigrationspolitik Trumps legitimiert werden soll. Fälle wie dieser werden gezielt genutzt, um ein Bild von „illegaler Einwanderung“ zu zeichnen, das meist Rassismus reproduziert und umso stärker polarisiert. Der mediale Angriff auf Lame folgt einem bekannten Muster: Auch wer rechtlich korrekt einreist, kann zur Projektionsfläche rechter Hetze werden – ganz besonders, wenn man nicht weiß ist.

Das Beispiel von Khaby Lame zeigt: Auch berühmte Persönlichkeiten bleiben nicht von Trumps harter Antimigrationspolitik verschont. Er steht sinnbildlich für die Härte einer Politik, die unter Trump immer ­aggressiver, selektiver und diskriminierender wurde.

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8 Kommentare

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  • Blaupause des Faschismus: Oppositionelle mundtot machen. In Hitlers Deutschland z.B. Bonhoeffer.

  • Wo ist der Nachrichtenwert, wenn ein rechter Influencer herumschwurbelt? Muss man solchen Figuren eine Plattform geben?

    • @nihilist:

      Werden rechte Akteure ignoriert, oder ihnen die Aufmerksamkeit weggenommen, werden sie einfach unbehelligt weitermachen. NSU, Solingen, Lichtenhagen, die Liste in Deutschland ist lang. In den USA sind in heutiger Zeit neben KKK die Proud Boys oder Motorradclubs kaum eine Schlagzeile wert. Subtil und ganz bürgerlich nah ist die Sympathie dieser Menschenfeinde gewachsen.

      Stattdessen ist öffentlicher Druck wichtig. Die Gesellschaft muss zeigen, dass ihr Gedankengut ein Tabu ist, wie z.B. Kannibalismus. Dass das aber nicht funktioniert, hat nichts mit der Methodik zu tun, sondern weil mittlerweile viele Menschen sich um ihren Wohlstand Sorgen machen in der kapitalistischen Welt. Rechte Gruppen oder Parteien sind ihr Auffangbecken geworden und Schuldige aus der Minderheit sind schnell gefunden.

    • @nihilist:

      "Wo ist der Nachrichtenwert, wenn ein rechter Influencer herumschwurbelt? Muss man solchen Figuren eine Plattform geben?"

      Man könnte zum Beispiel folgendes zu durchdenken versuchen:

      Hätte es frühzeitig eine ständige, analytisch scharfe, sich ständig wiederholende Berichterstattung



      -auch über die unzähligen sogenannten "Einzelfälle" - gegeben, so würde vielleicht im gutbravbürgerlichen Mittelstand des mittelmäßigen Mainstreams, doch nicht mit der NSDAP koaliert werden, um dann einen Hitler zum Reichskanzler zu wählen.



      Was bekanntlich denen ermöglichte einen industriellen Völkermord in Werk zu setzen,



      deren Aufstieg sicherlich dadurch begünstig wurde, dass man über ihre Verbrechen schon vor 1933 möglichst wenig berichtete.



      Ich nehme an (auch) mit der Begründung, man wolle sie nicht grösser machen als sie sind.

      Und ja. Ein rechter Influenzer "schwurbelt" nicht. Er ist auch nicht bloß irgendein "Influenzier" - als Teil des Trump-Clans.

  • Man sollte sich die Frage stellen, ob man in diese Land einreisen muss.



    Vielleicht brauchen die US-Bürger eine Zeit des Bedenkens in der kein Besuch aus dem Ausland kommt, damit die noch nicht komplett Verstrahlten die Kraft finden etwas gegen den rechten Wahnsinn zu unternehmen.

  • "trotz gültigem Visum. Der Grund: Sein ESTA, die elektronische Einreisegenehmigung, war abgelaufen"

    Irgendetwas ist da durcheinander, man reist doch entweder mit Visum oder mit ESTA, nicht mit beidem?

    • @Moby Dick:

      und ein Visum braucht ein Italiener nicht, wenn er als Tourist einreist. Dafür gibt es das Visum Waiver Programm.



      Aber vielleicht war die Reise nicht touristisch, weil auch eine tiktokisierung als Arbeit gelten könnte, schliesslich scheint er damit Geld zu verdienen. Dann könnte er aber sogar Glück gehabt haben, denn Visumverstösse sehen die USA gar nicht gerne.... Fragen über Fragen.

    • @Moby Dick:

      "overstayed the terms of his visa." ist die offizielle Begründung.

      Von ESTA habe ich in keinem anderen Artikel gelesen.