61. Biennale Venedig 2026: Kathleen Reinhardt kuratiert den Deutschen Pavillon
Dass die Wahl auf die Direktorin des Georg-Kolbe-Museums in Berlin fiel, ist überraschend. Und nicht nur deshalb vielversprechend.

Das Georg-Kolbe-Museum hat dessen Direktorin Kathleen Reinhardt einmal als einen Ort bezeichnet, den Tourist*innen am vierten Tag ihrer Berlinreise besuchten. Dann, wenn die Sightseeing-Pflicht geschafft und Zeit für Muße ist. Das Museum befindet sich im denkmalgeschützten Haus des Bildhauers Georg Kolbe aus den 1920ern, abseits der ausgetretenen Innenstadtrouten, unweit des Olympiastadions. Es ist eine kleine Westberliner Kunstinstitution der zweiten Reihe, die in den vergangenen Jahren jedoch regelmäßig mit klug kuratierten Ausstellungen auf sich aufmerksam gemacht hat.
Von dort aus geht es für Reinhardt nun ganz nach vorn, an einen Kunstort, der maximale Aufmerksamkeit von selbst generiert: Im kommenden Jahr wird die Kunsthistorikerin den Deutschen Pavillon der Venedig-Biennale kuratieren, wie das Institut für Auslandsbeziehungen am Dienstag mitteilte. Einstimmig habe ein Auswahlgremium sich für Reinhardt entschieden, hieß es in der Pressemitteilung. Die Wahl ist durchaus überraschend – ihre Vorgänger*innen kamen von größeren Institutionen – und gerade deshalb vielversprechend.
Kathleen Reinhardt – jung, ostdeutsch sozialisiert, kuratorisch dezidiert feministisch und auf Diversität ausgerichtet – ist im thüringischen Sondershausen geboren. Sie studierte Literatur- und Kulturwissenschaften und Internationales Management an den Universitäten Bayreuth, Amsterdam und Los Angeles und promovierte zum US-amerikanischen Konzeptkünstler Theaster Gates am Fachbereich Kunst Afrikas der Freien Universität Berlin. Erst leitete sie mehrere Jahre die Studios der südafrikanischen Videokünstlerin Candice Breitz und des kosovarischen Bildhauers Petrit Halilaj.
Dann ging sie 2016 als Kuratorin und Konservatorin für Gegenwartskunst ans Albertinum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Viel beachtet war dort vor allem ihre Gruppenausstellung „1 Million Rosen für Angela Davis“ (2021), in der sie sich am DDR-Personenkult um die US-amerikanische Bürgerrechtlerin abarbeitete. Pionierarbeit leistete sie auch mit dem von ihr initiierten Forschungsprojekt „Revolutionary Romances? Transkulturelle Kunstgeschichten in der DDR“ zu den kulturellen Beziehungen der DDR der 1950er und 60er Jahre zu Ländern des Globalen Südens.
Seit Dezember 2022 im Berliner Georg-Kolbe-Museum, legte sie dort wiederum von Beginn an einen Schwerpunkt auf den Dialog zwischen der Geschichte und Sammlung des Hauses mit dem Werk zeitgenössischer Künstlerinnen. Im vergangenen Jahr richtete sie gemeinsam mit dem Haus am Waldsee und den Sophiensälen eine Werkschau der Choreografin Gisèle Vienne aus, die von vielen zu den besten Ausstellungen des Jahres 2024 gezählt wurde. Vor zwei Wochen erst eröffnete Reinhardt die Gruppenausstellung „Tea and Dry Biscuits“ zum 75. Jubiläum des Museums.
Kunst biete in unserer höchst herausfordernden Gegenwart dringend benötigte Freiräume für kreative Visionen, für Begegnung, für gesellschaftliche Aushandlung und für gemeinsame kritische Reflexion, so formuliert es Reinhardt im Statement zu ihrer Wahl als Kuratorin. Sie nennt die „im Deutschen Pavillon traditionsgemäß betriebene kritische Auseinandersetzung mit Geschichte und Gesellschaft“ einen idealen Ausgangspunkt, zu fragen, „wo wir stehen, wie wir hierhergekommen sind, und vor allem, wohin wir gehen und wie dies aussehen und sich anfühlen könnte“. Ob und welche Antworten sie darauf gefunden hat, wird sich im Mai 2026 herausstellen, wenn die 61. Biennale di Venezia eröffnet.
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