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das portraitUmstrittene Entscheidung: Thilo Mischke wird neuer „ttt“-Moderator

Der Journalist Thilo Mischke übernimmt ab Jahresbeginn 2025 eine Mammutaufgabe: Die Moderation von „Titel, Thesen, Temperamente“ („ttt“) – der wohl wichtigsten Kultursendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Nach 17 Jahren Einsatz soll er Max Moor ersetzen. Die Entscheidung sorgt für Diskussionen. Denn sein Bro-Culture-Reisejournalist-Image passt nicht so richtig zur ARD, die sich eigentlich vorgenommen hatte, diverser zu werden.

Geboren 1981 in Ostberlin, begann Mischke seine journalistische Laufbahn beim Dummy-Magazin. Bald darauf schrieb er für Vice, GQ, Playboy, Neon und Cosmopolitan. Von 2011 bis 2013 war er Pauschalist bei der Bild am Sonntag, dann Reporter beim Focus-Magazin. Mischkes Arbeiten sind oft dem Gonzo-Journalismus zuzuordnen – einer subjektiven, oft provokanten Erzählform, die für Übertreibungen und eine starke Ich-Perspektive bekannt ist. Sein Lieblingsthema sind dabei Busen, oder alles was (für ihn) damit zu tun hat. Sein 2010 erschienenes Buch „In 80 Frauen um die Welt“ basiert auf einer sexistischen Wette: Mischke sollte während einer Weltreise mit 80 Frauen schlafen. 2013 legt er mit „Die Frau fürs Leben braucht keinen großen Busen“ nach. Für die Zeitschrift GQ schrieb er eine Kolumne über Frauen und Sex.

Für die ARD gehört das alles der Vergangenheit an. Seine früheren Publikationen bereue Mischke und er habe sich „sehr ernsthaft und selbstkritisch“ mit der Kritik auseinandergesetzt, schreibt eine ARD-Pressesprecherin der taz. Doch eine Entschuldigung und vor allem eine richtige Fehlerkultur blieben bisher aus. Stattdessen betonte Mischke in früheren Gesprächen, dass er den Titel seines Buches „In 80 Frauen um die Welt“ mittlerweile problematisch finde, zur Recherche aber immer noch stehe. Und auch durch andere fragwürdige Aussagen fiel er auf: In seinem Podcast „Uncovered“ argumentierte er 2019, dass der Homo sapiens durch Vergewaltigungen überlebt habe. Annika Brockschmidt und Rebekka Endler haben in ihrem Podcast „Feminist Shelf Control“ am Montag eine umfassende Recherche zu Mischkes Vergangenheit präsentiert. Gemeinsam mit 16 weiteren Personen haben sie „unappetitliches Zeug“ dokumentiert, das Sexismus, Misogynie, Rassismus, Ableismus und Homophobie umfasst. Sie wollen zeigen: Mit seinem Verhalten und der Personalentscheidung der ARD wird Sexismus in der Gesellschaft vertieft.

Gerade nach sieben Jahren #MeToo, nach der Verurteilung im hundertfachen Vergewaltigungsfall Gisèle Pelicot und der Aufdeckung eines Vergewaltigernetzwerks auf Telegram wirkt diese Personalie wie ein Rückschritt – an dem die ARD aber bisher festhalten will. Dabei hat der Rundfunkverband durchaus schon gezeigt, dass er bei (vermeintlich) problematischen Äußerungen harte Konsequenzen ziehen kann: 2024 wurde Sebastian Hotz vom RBB entlassen, weil seine Tweets zum Attentat auf Trump nicht akzeptabel erschienen. 2021 durfte Nemi El-Hassan die Sendung „Quarks“ nicht moderieren, da sie 2014 an einer israelfeindlichen Al-Quds-Demonstration teilgenommen hatte.

Wieso also gerade jetzt nicht? Bei einer Person, deren Aussagen eine lange Kontinuität einer Bro-Culture und von konservativen Weltbildern aufzeigen und die sicher nicht zu einem besseren Image des ÖRR beitragen, den dieser gut gebrauchen könnte? Noch gibt es eine echte Chance zu zeigen, dass auch die ARD feministische Kritik ernst nimmt. Denn, wie Gisèle Pelicot es ausdrückte: „Die Scham muss die Seite wechseln.“ Ann-Kathrin Leclère

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