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das portraitBotschafter Andrij Melnyk sieht die Nato als Rettung für die Ukraine

Vornehme diplomatische Zurückhaltung ist nicht unbedingt das Kennzeichen von Andrij Melnyk, seit 2014 Außerordentlicher und Bevollmächtigter Botschafter der Ukraine in der Bundesrepublik Deutschland. Offensiv in seinen Äußerungen und alles andere als medienscheu hat sich Melnyk einen Namen als Verfechter ukrainischer Interessen in der Bundesrepublik gemacht.

Und nicht immer ist klar, ob das Gesagte so mit seinen Vorgesetzten im ukrainischen Außenministerium abgesprochen ist. Immer wieder fordert er eine Aufnahme seines Landes in die Nato. Warum? Nur eine Nato-Mitgliedschaft könne doch vor einem russischen Angriff schützen, meint der Botschafter. Wäre die Ukraine 2014 Nato-Mitglied gewesen, hätten die Annexion der Krim und der Krieg im Osten der Ukraine verhindert werden können. Davon ist der Diplomat überzeugt.

Und er bringt auch Überlegungen einer Atommacht Ukraine ins Spiel. Die Ukraine könne durchaus wieder Atommacht werden, wenn man sie nicht in die Nato lasse, hatte er jüngst gegenüber dem Deutschlandfunk verlauten lassen, und gleichzeitig moderne Waffen für das Land gefordert. Deutschland, das immerhin an Platz vier der weltweiten Rüstungsexporteure stehe, solle nicht so moralisch tun, wenn es um eine moderne Bewaffnung der Ukraine gehe, und derartigen Waffenlieferungen endlich zustimmen. Die Ukraine brauche modernste Waffensysteme und nicht „Pea­nuts“.

Kein Wunder, dass er sich auch mit Putin-Intimus und Ex-Kanzler Gerhard Schröder gestritten hatte – via Medienberichte natürlich. Nachdem Schröder 2020 den Botschafter einen „Zwerg“ genannt hatte, bezeichnete Melnyk den Ex-Kanzler als „zynischen Kreml-Lobbyisten, der Putins aggressive Politik verharmlost und die Kriegsverbrechen Russlands in der Ostukraine und auf der Krim schamlos schönredet“. Ein wenig freundlicher Schlagabtausch also.

Der 45-jährige Karrierediplomat stammt aus dem westukrainischen Lwiw, ist verheiratet und Vater von einem Sohn und einer Tochter. Melnyk ist Doktor der Rechtswissenschaften, hatte in Harvard, im schwedischen Lund, in Lwiw und Kiew Jura, Völkerrecht und Deutsch studiert. Vor seinem Antritt als Botschafter in Deutschland im Dezember 2014 war er als stellvertretender Minister zuständig für die Inte­gra­tion mit der Europäischen Union. Zudem war er Leiter der Europaabteilung im ukrainischen Außenministerium, Erster Sekretär der ukrai­nischen Botschaft in Österreich und ukrainischer Generalkonsul in Hamburg.

Internationale Organisationen sind zudem sein Terrain: Regelmäßig hatte der Diplomat die Ukraine bei Institutionen, wie dem Exekutivrat der Organisation für das Verbot chemischer Waffen OCPW, dem OSZE-Forum für Sicherheitskooperation, der Gemeinsamen Beratungsgruppe über die konventionellen Streitkräfte in Europa und der Beratungskommission „Offener Himmel“ der OSDZE, vertreten. Bernhard Clasen, Kiew

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