piwik no script img

das ding, das kommtElphi-Ziegel doch noch zu was nütze

Wird auf seine alten Tage noch zum Wohltäter: einer der „Grundsteine“ der Elphi Foto: matt

Es war keine echte, damit fängt es ja schon mal an: Der reine Fake war die „Grundsteinlegung“ von Hamburgs Elbphilharmonie am 2. 4. 2007. Denn der Grundstein – der lag seit den 1960er-Jahren schon, auf dem Boden des Kaispeichers B von Werner Kallmorgen nämlich. Dieser trapezförmige Bau markierte – man erinnert sich – die Wende hin zur Container-Ära und war einer der letzten echten Kakaospeicher des Hamburger Hafen.

Da unter Denkmalschutz und also planerisch nicht zu umgehen, haben ihn die Architekten zum Sockel der Elbphilharmonie degradiert. Wobei allerdings von der Originalsubstanz nicht viel übrig blieb. Denn selbstverständlich war der Speicher als Stütze fürs Konzerthaus viel zu schwach und musste gehörig verstärkt und nachgerüstet werden, um Konzertsaal, Hotel und Luxuswohnungen zu tragen. Heute ist der einstige Kaispeicher ein kläglicher Schatten seiner selbst. Das hat die Granden der Elbphilharmonie – damals noch hoffend, dass es keinen Skandal geben würde, und wenn doch, dann unbemerkt – nicht gehindert, am 2. (zum Glück nicht am 1.) April 2007 eine Grundsteinfeier mit Prunk und Pomp zu begehen.

Bläsermusik, Politiker-, Planer- und Architektenreden hat man aufgefahren, außerdem Hamburgs Hautevolee. All und jeder – jedenfalls die mit den richtigen Ämtern, Berufen oder Bankkonten – sollten sich als Teil einer großen Familie, einer menschheitsgeschichtlichen Vision fühlen können, die da „Musikme­tropole Hamburg“ hieß. Und natürlich, fast hätten wir es vergessen, „Haus für alle“; wir wollen ja politisch korrekt bleiben.

Das Schönste an der großen Sause aber war – wir erinnern uns vage, aber gern – das Geschenk für jeden: ein 1,2 Kilogramm schwerer Backstein mit der originellen Gravur „Elbphilharmonie Grundsteinlegung 2. April 2007“, sorgsam gehegt seither und in etlichen Haushalten auf dem Kaminsims aufbewahrt.

Auch die taz-Kulturredaktion hat ein Exemplar im Regal zwischen den Rezensionsexemplaren gefunden, und ja, die zuständige Redakteurin gibt es ungern aus der Hand. Warum, kann sie selbst nicht genau sagen.

So sentimental ist aber nicht jeder gewesen: Der Hamburger Musiker und Unternehmensberater Winfrid Tiede zum Beispiel hat seinen „Elphi“-Backstein wohl neulich beim Aufräumen wiedergefunden und beschlossen, etwas Wohltätiges damit zu tun. Also hat er ihn zwecks Versteigerung auf Ebay gestellt, und siehe da: Der Preis ist schon von 79 auf 112,11 Euro hochgeschnellt; noch bis 11. 3. kann man bieten. Zugute kommen soll das Geld der Astra-Stube, die ja Ende 2019 heimatlos wird, weil die Deutsche Bahn die Sternbrücke sanieren will und allen Drunter-Bewohnern kündigte. In die Nähe des vorgeschlagenen Bahnhofs Sternschanze dürfen die Astras auch nicht, weil der Stadtteilbeirat nicht mag. Also muss man sich wieder auf die Söckchen, sprich auf die Suche machen.

Da ist es gar nicht schlecht, ein bisschen von sich reden zu machen mit dieser Versteigerungsaktion, die laut Tiede alles von zwischen einer LED-Leuchte und der Anreise einer Band finanzieren könnte. „Nicht benutzt, einfach nur gelagert“, hat Tiede den Backstein auf Ebay kommentiert. Aber mal ehrlich, wie hätte er den auch groß benutzen sollen?

Obwohl – wenn man es genau überlegt, könnte der Backstein in einer Art Reenactment symbolischer Grundstein für eine neue Astra-Bleibe werden. Zum Beispiel dann, wenn sich auf all diese Versteigerungs-Presseberichte hin ein Großgrundbesitzer mit zentralem Gebäude oder Anwesen meldet, der Astras bei sich haben möchte. Na, wie wär’s? Freiwillige vor! Petra Schellen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen