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corona in hamburg„Sind für Abschiebungen nicht zuständig“

Solveigh Deutschmann

55, von Flucht und Migration der Diakonie Schleswig-Holstein, berät Menschen bei der Rückkehr in ihr Herkunftsland.

Interview Michelle Bauermeister

taz: Frau Deutschmann, wie beraten Sie Menschen, die in ihr Herkunftsland zurückkehren müssen oder wollen?

Solveigh Deutschmann: Wir sind eine unabhängige Beratungsstelle und arbeiten ergebnisoffen. Wenn die Ausländerbehörde dem Ratsuchenden einen negativen Asylbescheid erteilt, dann ist der erste Schritt, darüber zu sprechen: Was wäre wenn? Wir begleiten die Betroffenen bis zu dem Moment der eventuellen Rückkehr. Wir nennen es Perspektiv- und Rückkehrberatung. Es geht um eine Perspektive zur Nachhaltigkeit für die Rückkehr ins Heimatland. Wir stellen die Möglichkeiten der Förderungen vor und begleiten Betroffene bei Bedarf zu den Behörden.

Wie hat sich die Rückkehrberatung in Zeiten von Corona verändert?

Mittlerweile machen wir auch Beratungen am Telefon und über Zoom mit DolmetscherInnen. Es war zunächst eine Herausforderung, weil die Beziehungsarbeit das Wichtigste ist, und wenn man sich nicht sieht, ist das schwierig. Viele, für die die Rückkehr angestanden hat, sind jetzt in einer Warteschleife.

Auch mit der Beratung erscheint die Rückkehr oft nicht freiwillig.

Bei der Beratung spielt die Würde eine große Rolle. Diese Menschen haben wirklich eine Chance, sich zu entscheiden. Sie werden beraten und in dieser Situation unterstützt. Es muss klar sein, dass unsere Arbeit unabhängig und ergebnisoffen ist. Das ist wichtig für die Gesellschaft zu wissen, weil viele die Sorge haben, dass wir Abschiebungen unterstützen – das ist nicht so. Wir sind für Abschiebungen nicht zuständig. Wir erläutern die freiwillige Rückkehr. Die Menschen müssen wissen, worauf sie sich einlassen und welche Konsequenzen es gibt.

Mit welchen Problemen ist eine Rückkehr derzeit behaftet?

Online-Veranstaltung „Rückkehrberatung: Die schwierige Positionierung der zivilgesellschaftlichen Akteur_innen“, 11–12:30 Uhr, mit Zoom. Anmeldungen an: anmeldung.me@diakonie-hamburg.de

Zum einen müssen wir sehr genau abfragen, ob es überhaupt Flüge in die Herkunftsländer gibt. Und die Schwierigkeiten liegen in allererster Linie bei den Menschen, die beispielsweise medizinische Fälle sind. Zudem haben die Menschen, die vor Covid-19 hätten abreisen müssen, laut Erlasslage eine Duldungsverlängerung. Auch sie müssen wir entsprechend begleiten. Der Zugang zu den Botschaften unter anderem für Passbeschaffungen ist noch nicht gesichert. Die Hygienemaßnahmen müssen wir im Vorfeld eruieren und kommunizieren. Und auch wissen, wie das im Herkunftsland ist: Muss die Person dort in Quarantäne?

Zu der perspektivischen Unsicherheit kommt die Verunsicherung durch Corona.

Die Menschen haben Sorgen um ihre Familien. Deswegen gibt es auch die, die unbedingt zurück wollen.

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