corona in bremen: „Wir haben extrem Glück“
Ausma Zvidrina, 40, ist Buchhändlerin und Inhaberin des Golden Shop.
Interview Teresa Wolny
taz: Frau Zvidrina, stimmt es, dass viele Leute jetzt angeblich so viel Zeit zum Lesen haben?
Ausma Zvidrina: Naja, ich kriege ja nur die Leute mit, die diese Zeit haben, weil sie Bücher bestellen. Es wird aber viel bestellt, ja.
Per Telefon?
Und im Onlineshop. Im Moment haue ich da alles rein, was ankommt, damit die Leute jetzt eben auf diese Weise sehen, was neu erschienen ist. Wir haben einen individuellen Onlineshop, der nicht mit einem Großhändler verknüpft ist. Wenn man nach Romanen sucht, bekommt man also statt drei Millionen eher fünfzig angezeigt. Dadurch kaufen die Leute jetzt schon andere Sachen als sonst, denn was jetzt natürlich wegfällt, ist, dass die Bücher, die hier im Laden liegen, verkauft werden. Einige davon findet man nicht unbedingt überall – wenn mal Luft ist, kommen auch die ins Internet.
Wie bekommt man die Leute in den Onlineshop?
Facebook und Instagram, die sonst immer eher nebenher liefen, bespielen wir jetzt mehr als sonst. Und statt monatlich kommt der Newsletter mit den Neuerscheinungen jetzt wöchentlich.
Wie wird geliefert?
Fahrrad, Auto, zu Fuß, wir machen alles. Innerhalb Bremens wird meistens direkt geliefert, ansonsten per Post. Wir haben Fans, die auch bundesweit bestellen. Ein Mitarbeiter mit Kind liefert die Bücher manchmal beim Spazierengehen aus. Man muss jetzt eben flexibel sein.
Was läuft gut im Moment?
Paula Irmschlers Roman „Superbusen“ über junge Frauen aus Chemnitz ist gerade der absolute Bestseller. Oft wird der mit dem neuen Graphic Novel „Ich fühl’s nicht“ von Liv Strömquist bestellt. Junge feministische Themen laufen gut.
Wie lange hält ein Buchladen auf diese Weise denn wirtschaftlich durch?
Ich glaube, das ist sehr unterschiedlich. Wir haben zwar die Förderung beantragt, haben gleichzeitig aber auch extrem Glück, weil wir relativ niedrige Fixkosten haben und dazu ein junges Publikum, das internetaffin ist. Ich weiß natürlich nicht, ob das gerade alles Solidaritätsbestellungen sind. Wenn das so bleibt, würden wir aber eine Weile gut zurechtkommen. Für Läden mit eher altem Klientel und vielen Angestellten ist die Situation natürlich richtig schlimm. Ich denke, ein Grundeinkommen würde jetzt auch in der Literaturbrache allen helfen, sowohl den Käufer:innen als auch den Verlagen, den Grafiker:innen und denen, die Literatur produzieren.
Was hilft gegen Lagerkoller zu Hause?
Schwierige Frage, denn ich habe einen Hund, mit dem ich jetzt ständig in leeren Straßen spazieren gehe. Deswegen habe ich überhaupt keinen Koller. Aber ich denke mal: spazieren gehen, lesen und Leuten helfen, die gerade viel Stress haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen