berliner luft: Programm? So geht das!
Die Berlin-Parlaments-Kolumne
von Anja Maier
Die Union weiß, wie das geht: Erfolge verkaufen, die keine sind. Weil es Horst Seehofer und Angela Merkel geschmacklos erschien, kurz nach dem Anschlag in Manchester in einem Münchner Bierzelt öffentlich Maßkrüge aufeinanderkrachen zu lassen, haben die beiden Parteichefs die Sause zuerst abgesagt und dann einen neuen Termin gefunden. An diesem Sonntag ist es so weit. Kein Ding, sollte man meinen.
Doch so handhabt man das nicht bei der Union. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ließ seine Pressestelle eine Erklärung herausgeben, wie sehr er, der Andi, „den Nachholtermin begrüßt“. Hä?, denkt man. Macht doch einfach, und gut isses. Aber so tickt die Union eben nicht. CDU und CSU machen kommunikativ nicht nur vieles anders, sondern einfach auch deutlich selbstbewusster als die SPD.
Während die Sozis zum Wochenbeginn die Präsentation ihres Wahlprogramms bekanntlich maximal vergeigt haben, absolvierten Merkel und Seehofer diverse gemeinsame Termine. Es wurde viel gelächelt und gescherzt, um schöne Bilder zu produzieren, die den Unionsfrieden illustrieren sollten. Ansonsten ging es bei den Treffen hinter verschlossenen Türen ums Wahlprogramm, das Anfang Juli verabschiedet wird. Da hakt es bekanntlich mächtig, ich sage nur „Obergrenze“.
Die Union ficht das nicht an. Come on, Inhalte sind so was von Neunziger. Und weil das so ist bei den Konservativen, wurde von Partei- und Fraktionsspitzen Stillschweigen über das Wahlprogramm vereinbart.
Man muss sich derlei nur mal bei den Sozialdemokraten vorstellen: Martin Schulz, Katarina Barley und Thomas Oppermann verschanzen sich im Willy-Brandt-Haus und kungelen ein Wahlprogramm aus. Was sie sich für die kommenden vier Jahre politisch vorstellen, sagen sie aber keinem. Das werden die Genossen schon noch früh genug erfahren.
Wäre es so – der Shitstorm nähme bis zum 24. September kein Ende. Verfahren aber CDU und CSU so, ploppen Begriffe wie „Führungsstärke“ oder „Parteifrieden“ auf.
Aber Mitleid ist unangebracht. Die Sozis brocken sich ihre Suppe zuverlässig selber ein. Die Bekanntgabe des Wahlprogramms erst verschieben, dann doch wieder auf den Terminplan setzen. Dann den Hund das Deckblatt mit dem Programmtitel fressen lassen und den Spitzenkandidaten in der Tiefgarage einschließen, damit er bei der Präsentation auch ja nicht dabei sein kann. Dank den Sozis haben Merkel und Seehofer leichtes Spiel.
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