berliner cdu-krise: Chaostagean der Spree
Da haben die Berliner Christdemokraten die Rechnung wohl ohne ihren Fraktionsvorsitzenden Klaus Landowsky gemacht. Der Regierende Bürgermeister und CDU-Landeschef Eberhard Diepgen kündigte gestern einen „zeitnahen“ Rücktritt Landowskys an, und der Generalsekretär der Landespartei sprach von einem Termin „vor der Sommerpause“. Fast allen in der Berliner Union ist klar: Die Partei wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie die SPD durch ein Festhalten an Landowsky zum Bruch der großen Koalition zwingen und sich damit – sollte es zu einer Regierungsbeteiligung der PDS kommen – auf Jahre hinaus auf die Oppositionsbank befördern würde.
Nur einer zögert dieses Eingeständnis noch hinaus: Klaus Landowsky selbst. Mit einer Mischung aus Verblendung, Größenwahn und falsch verstandenem Stolz beharrt er darauf, über den Zeitplan seines Rückzugs selbst zu bestimmen und sich von der SPD nicht erpressen zu lassen. Das Dumme ist nur: In diese Zwangslage hat sich der Fraktionschef selbst gebracht. Als er vor fünf Wochen seinen sofortigen Auszug aus dem Vorstand der landeseigenen Bankgesellschaft verkündete, hätte er auch von seinem politischen Amt zurücktreten müssen. Jetzt ist der Zeitpunkt für einen selbst bestimmten Rücktritt längst verstrichen.
Kommentar von RALPH BOLLMANN
Seither ist die Lage für die CDU mit jedem Tag schlimmer geworden. Spätestens seit gestern, als die Spitzenfunktionäre mit widersprüchlichen Äußerungen an die Öffentlichkeit traten, ist in der Landespartei das offene Chaos ausgebrochen. Landowsky, der sich viel auf seine Nähe zu Helmut Kohl zugute hielt, folgt offenbar bis zum bitteren Ende dem Vorbild des Oggersheimers: Auch er zieht, weil er nicht loslassen kann, die eigene Partei mit in den Untergang.
Mit arroganten Sprüchen über Gerhard Schröder und Lobliedern auf die eigene Unersetzlichkeit zog Kohl nach der verlorenen Bundestagswahl 1998 durch die Lande. So ähnlich macht es jetzt Landowsky. Großspurig feiert sich der alte Westberliner Haudegen als letztes Bollwerk gegen einen Kommunismus, den es gar nicht mehr gibt. Und der ewige Zauderer Eberhard Diepgen schaut – bisher jedenfalls – einfach zu. Dem CDU-Landeschef ist gewiss noch lebhaft in Erinnerung, mit welchen Methoden einstige Kohl-Vertraute demontiert wurden, nachdem sie mit dem Exkanzler gebrochen hatten: Keine rosigen Aussichten für die CDU an der Spree.
berlin SEITE 19
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