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bascha mika über GegengiftDie vier Farben der Macht

Alle entdecken die Familie – zu Lasten der Frauen

Frauen sind der leibhaftige Konjunktiv. „Wenn das Wörtchen wenn nicht wär, wär mein Vater Millionär“ – der Kindereim ist eindeutig auf Frauen gemünzt. Sie bleiben einfach im Möglichen stecken. WENN Mädchen gemäß ihren Noten gefördert würden, hätten sie überall die Nase vorn. WENN Frauen nach Leistung bezahlt würden, hätten sie genauso viel Kohle wie Männer. WENN nicht dieser Kerl aufgetaucht wäre, hätte sie Karriere statt Kinder …

Wenn du dich am Frauentag aufregen würdest, sagt mein Lieblingsreaktionär kühl, wäre das okay. Aber der war am 8. März.

Und was war eines der wichtigsten Themen dieses Tages? Ob Familienpolitik nicht die eigentlich moderne Frauenpolitik ist! Irre ich mich, oder hatten wir nicht genau das – die Weigerung, Frauen als selbstständige gesellschaftliche Wesen zu begreifen – als Grundübel des Patriarchats entlarvt? Wollten wir nicht eine Politik, die uns vom Zwang zur Mutter- und Familienrolle befreit?

Das ist doch reaktionär, sagt mein Lieblingsreaktionär, langweiliger Siebzigerjahre-Krampf. Eigentlich dachte ich, du wärst da weiter. Damals ging es um Selbstverwirklichung. Inzwischen wissen Frauen endlich, was ihnen wirklich fehlt: ein Kindergartenplatz und Ganztagsschulen.

Weil die Herren noch immer keinen Finger im Haushalt krumm machen, sich weder auf Vaterschaftsurlaub noch Teilzeit einlassen und Unterhaltszahlungen allzu gerne vergessen. Mit dieser Verweigerungshaltung haben sie ja nun Erfolg. Sie müssen sich gar nicht mehr ändern, man ändert einfach das politische Konzept. Und alle machen mit. Die Wirtschaft, weil sie auf gut ausgebildete Frauen nicht verzichten will, sobald diese Mütter werden. Die CDU/CSU, weil es ihrem steinzeitlichen Familienidyll entspricht. Die SPD, weil ihr in der Frauenpolitik nichts mehr einfällt. Und selbst die Grünen, die sich seit vergangenem Jahr verzweifelt um populäre Themen bemühen, haben plötzlich – zu Lasten der Frauen – die Familienpolitik entdeckt. Inzwischen gibt es keinen Frauenkongress mehr, bei dem die Frage der Kinderbetreuung nicht zum nervtötenden Dauerthema wird.

Wie im richtigen Leben, sagt mein Lieblingsreaktionär, und wie bei deinen Freundinnen. Alle haben sie Probleme, Kinder und Job ohne schlechtes Gewissen unter einen Hut zu bringen. Warum haben wir wohl eine der geringsten Frauenbeschäftigsraten in ganz Europa?

Niemand ist gegen Kindergärten, Ganztagsschulen und Entlastung der Mütter. Ein Fortschritt ist es allemal, und sicher werden viele Frauen davon profitieren. Doch dieser Ansatz verfehlt ganz klar den Kern des Problems. Damit wird doch mitnichten die Diskriminierung in der Arbeitswelt aufgebrochen. Frauen werden auch dann nicht dasselbe Gehalt wie Männern kassieren und in gut bezahlte Führungs- und Spitzenjobs aufsteigen. Denn die entscheidende Frage – die nach der Macht – wird eben nicht gestellt.

Mit Macht wollte doch auch die Frauenbewegung nichts zu tun haben, sagt mein Lieblingsreaktionär spitz, das war doch fieser, patriarchaler Mist. Abgesehen davon: Jammerst du nicht immer rum, dass deine Kolleginnen oft gar keine Führungsrollen wollen und fragen, warum sie sich den Stress eigentlich antun sollen? Sehr verständlich, wie ich finde.

Aber die Möglichkeit müssen sie haben! Und das ist heute, mit unseren lächerlichen fünf Prozent Frauen in Topjobs, offensichtlich nicht der Fall. Als wenn es nur an den Kindern läge. Der Pillenknick war vor mehr als dreißig Jahren, seitdem gibt es einen permanenten Geburtenrückgang. Wo sind denn seitdem all die vielen kinderlosen und berufstätigen Frauen? Nicht an der Spitze jedenfalls, denn dann gäbe es dort schon mindestens dreißig Prozent Frauen.

Jetzt stell dich nicht dümmer, als du bist, seufzt mein Lieblingsreaktionär. Niemand will Frauen an der Macht. Die Jungs wollen die Mädchen nicht mitspielen lassen, so einfach ist das. Jetzt kümmern wir uns erst mal darum, möglichst vielen Müttern einen Job plus gutes Gewissen zu verschaffen. Das bringt Ruhe an die Front, nützt den Frauen, der Wirtschaft und den Politikern. Der Frauenanteil wird steigen, Mütter können sich voll auf den Job konzentrieren. Bis die Frauen dann merken, dass sie trotzdem nicht in die Vorstandsetagen aufsteigen, sondern alle im mittleren Management hängen bleiben – ach, bis dahin sind wieder ein paar Jahre vergangen.

Nebenbei, welche Farbe hat eigentlich Macht?

Rot natürlich, antwortet mein Lieblingsreaktionär prompt, sie brennt. Dann Blau – wie kaltes Feuer. Gelb, weil sie den Neid der anderen auf sich zieht, und Grün, weil sie unersättlich ist.

Was war noch mal die Farbe der Frauenbewegung?

Fragen zu Gegengift?kolumne@taz.de

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